Acht anonyme Geburten
Potsdam. Seit 2014 sind in Brandenburg mindestens acht Babys bei sogenannten vertraulichen Geburten zur Welt gekommen. 2014 und 2015 waren es jeweils zwei Babys und 2016 vier Babys, wie das Gesundheitsministerium erklärte. Für 2017 liegen noch keine Zahlen vor.
»Aus ärztlicher Sicht sind diese Geburten besser als etwa eine Babyklappe. Wir können den Frauen einen guten Schutzrahmen bieten«, sagt Oberärztin Susanne Westermann vom St. Josefs-Krankenhaus in Potsdam. Sie hat bereits eine vertrauliche Geburt begleitet. Insgesamt kamen in Brandenburg von 2014 bis 2016 mehr als 58 000 Kinder zur Welt.
Seit 2014 können Frauen bei vertraulichen Geburten zunächst anonym bleiben und ihr Kind zur Adoption freigeben. Mit 16 Jahren können adoptierte Kinder die Identität ihrer leiblichen Mutter erfahren. Bundesweit kamen bislang insgesamt 415 Kinder vertraulich auf die Welt.
Für Schwangere in Notlagen sei dies ein legales Angebot, bei dem sie ihr Kind sicher in einer Klinik oder bei einer Hebamme auf die Welt bringen können, sagt Gesundheitsministerin Diana Golze (LINKE). Auch der Hebammenverband bewertet dieses Angebot positiv. »Die Frauen können mit fachlicher Begleitung und Unterstützung an einem sicheren Ort unter angemessenen Bedingungen gebären«, sagt die Landesvorsitzende Martina Schulze.
Die Gründe, warum Frauen ihre Identität nicht preisgeben wollen, sind unterschiedlich. »Sehr viele der Frauen befürchten, mit einem weiteren Kind überfordert zu sein«, sagt ein Referent des Bundesfamilienministeriums mit Blick auf eine Untersuchung. Für fast die Hälfte der Frauen sei das Thema Schwangerschaft so belastend, dass sie sich nicht mit möglichen Hilfestellungen auseinandersetzen konnten. Zum Teil wollen Frauen ihre Schwangerschaft auch vor den Partnern verheimlichen, um die Beziehung zu retten. Außerdem gebe es Fälle mit erkennbar schweren Notlagen. »Hierzu zählen zum Beispiel Frauen, die vergewaltigt wurden«, erklärt der Referent. Bei manchen Frauen bestehe auch die Gefahr, dass ihre Ex-Partner, Noch-Ehemänner oder die Väter gewalttätig werden, wenn sie von der Schwangerschaft erfahren.
Die von Ärztin Westermann versorgte junge Frau hatte das Gefühl, dass ein Kind noch nicht in ihr Leben passt. »Sie wollte lieber einem ungewollt kinderlosen Paar eine Chance geben. Die Frau war sehr gut vorbereitet und wusste gut über die vertrauliche Geburt Bescheid«, berichtet die Ärztin. Die Mutter wollte ihr Baby anschauen. »Sie hat es aber nicht an die Brust angelegt, um nicht eine mögliche ungewollte Kettenreaktion auszulösen.« Außerdem habe die junge Frau dem Kind einen Brief hinterlassen.
Ob Frauen allerdings jetzt die Babyklappe seltener nutzen, lässt sich nicht sagen, da laut Ministerium keine Zahlen vorliegen. In Brandenburg gibt es eine Babyklappe am St. Josefs-Krankenhaus in Potsdam. dpa/nd
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