Kriege made in Hessen

Linksfraktion im Wiesbadener Landtag legte neuen Rüstungsatlas für das Bundesland vor

  • Hans-Gerd Öfinger, Wiesbaden
  • Lesedauer: 3 Min.

Während im fernen Berlin die Forderung nach deutlich mehr Geld für die Bundeswehr die Runde macht, warnt die hessische Linksfraktion mit der Neuauflage ihres »Rüstungsatlas Hessen« vor Rüstungsexporten und drängt auf Abrüstung und Konversion. Die Broschüre listet Standorte von Bundeswehr und US-Streitkräften, Rüstungsfabriken und Einrichtungen der Rüstungsforschung auf. Insgesamt werden 61 Firmen der Branche im Sechs-Millionen-Einwohner-Land zwischen Werra, Rhein und Neckar aufgeführt.

Als wichtigste Rüstungsschmiede mit Konzernen wie Krauss-Maffei Wegmann (KMW) und Rheinmetall gilt die nordhessische Metropole Kassel. Ihre Hightech-Produkte gehen in alle Welt. »KMW stellt die Geschütztürme für die Leopard-2-Panzer her, die derzeit Dörfer und Städte in Nordsyrien attackieren«, kritisierte der Landtagsabgeordnete und LINKE-Landesvorsitzende Jan Schalauske bei der Vorstellung der Broschüre in dieser Woche in Wiesbaden. »Mit auch in Hessen produzierten Waffen verüben türkische Truppen derzeit einen völkerrechtswidrigen Angriff auf die selbstverwaltete Region Afrin.«

KMW mit rund 1400 Beschäftigten allein in Kassel exportiere zahlreiche Leopard-2-Panzer nach Katar und hoffe jetzt auf Großaufträge aus dem Sultanat Oman und Indien, erklärte Lühr Henken vom Bundesausschuss Friedensratschlag, der Autor der 60 Seiten umfassenden Broschüre ist.

Henkens Recherchen zufolge ist Rheinmetall mit etwa 1000 Beschäftigten in Kassel der zweitgrößte Rüstungsbetrieb in Hessen. In einem Gemeinschaftsprojekt produzieren Rheinmetall und KMW derzeit neu entwickelte PUMA-Schützenpanzer. 350 Exemplare soll die Bundeswehr bis 2020 erhalten. Die Fahrzeuge seien »mit einem Stückpreis von 14 Millionen Euro die teuersten Schützenpanzer der Welt« und ebenso wie die von Rheinmetall hergestellten Radpanzer BOXER und FUCHS zur Niederschlagung von Aufständen geeignet. 400 Exemplare habe die Bundeswehr bestellt. Mögliche Zielländer für BOXER-Exporte seien Ägypten, Australien, Großbritannien, Kuwait, Litauen und Saudi-Arabien, so Henken. Auch im Süden Hessens ist ein Rüstungsmulti vertreten, der weltweit exportiert oder produzieren lässt: die Fritz Werner Industrie-Ausrüstungen GmbH im Rheingaustädtchen Geisenheim. Die Firma versteht sich als »idealer Partner für die Entwicklung und Umsetzung schlüsselfertiger Munitionsfabriken« und ist nach eigenen Angaben in 60 Ländern aktiv.

Wichtigster Militärlogistiker wiederum ist die DB Schenker AG mit Hauptsitz in Frankfurt am Main. Bedeutend für die Genehmigung der Rüstungsexporte ist das Bundesausfuhramt (BAFA) im nahen Eschborn. »2016 lag Deutschland im wenig schmeichelhaften Ranking der ›Exporteure des Todes‹ nach den USA und Russland auf dem dritten Platz«, so Henken.

In der Landeshauptstadt Wiesbaden befindet sich die Führungs- und Kommandozentrale der US-Landstreitkräfte. Sie gehört zu den wichtigsten Stützpunkten der US Army in Europa und gilt als »Nervenzentrum« für die Aktivitäten von 30 000 US-Heeressoldaten, für weltweite Kriegseinsätze und für Kriegsmanöver entlang der russischen Grenzen. Gleich nebenan residieren die US-Geheimdienste wie National Security Agency (NSA) und Military Intelligence Corps (MI).

»Hessen bekennt sich zu Frieden, Freiheit und Völkerverständigung. Der Krieg ist geächtet. Jede Handlung, die mit der Absicht vorgenommen wird, einen Krieg vorzubereiten, ist verfassungswidrig«, heißt es in Artikel 69 der hessischen Landesverfassung. Schalauske betont: »Polizei- und Rüstungshilfe an Despoten und Folterregimes sind mit diesem Verfassungsartikel schlicht unvereinbar.«

Der LINKE-Politiker fordert ein sofortiges Waffenembargo für die Türkei und ein »Ende der skrupellosen Rüstungsexportpolitik«. Angesichts der Tatsache, dass nur 0,15 Prozent der 3,4 Millionen hessischen Erwerbstätigen in Rüstungsbetrieben arbeiteten und die Branche nur mit 0,2 Prozent zum hessischen Bruttoinlandsprodukt beitrage, sei eine »sozialverträgliche Konversion von Rüstungsgütern in zivile Produkte gesellschaftlich verkraftbar«.

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