Der Kreml ist nicht genug

Großer Auftritt für Russlands Präsidenten zur Lage der Nation

  • Klaus Joachim Herrmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Als Wahlkampfauftritt soll die Botschaft des Präsidenten an die Föderationsversammlung offiziell nicht verstanden werden. Doch den 1. März als Termin für den Auftritt Wladmir Putins mit seiner Botschaft an die Nation nannte zuerst sein Wahlkampfstab. Seit dem ursprünglich erwarteten 6. Februar war über den Zeitpunkt des Auftritts gerätselt worden. Der Kremlchef habe noch die Olympiade abwarten wollen, hieß es nun, und am 3. März sei im Luschniki-Sportpark ein Wahlkampfmeeting mit Konzert angesetzt. Dort rechnen die Veranstalter mit wenigstens 100 000 Teilnehmern.

Auch das Publikum für die Botschaft des Präsidenten fällt dieses Mal etwas größer als üblich aus. Genügte bei früheren Gelegenheiten der Georgensaal im Großen Kremlpalast, so wurde in diesem Wahljahr die an den Alexandergarten des Präsidentensitzes angrenzende Manege gewählt - die einstige Paradehalle der Offiziersreitschule zu Zeiten des Zaren Alexander I. ist heute einer der größten kulturellen Ausstellungskomplexe Moskaus.

Den Umzug begründete Kremlsprecher Dmitri Peskow mit einer »besseren Visualisierung« der Ansprache auf mehreren Bildschirmen. Deren Installation im historischen Kremlpalast sei auf technologische und logistische Probleme gestoßen. Allerdings sei auch der Kreis der Eingeladenen »etwas größer« als jener der Mitglieder der Föderationsversammlung. Neben den Mitgliedern der Parlamentskammern Föderationsrat und Staatsduma werden traditionell die Kabinettsmitglieder, die Vorsitzenden der höchsten Gerichte, Gouverneure und Parlamentarier der Subjekte der Föderation, geistliche Würdenträger und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens eingeladen. Dessen ungeachtet, so der Kreml, gehe es um die Botschaft des Präsidenten an das Parlament und damit die Erfüllung einer verfassungsmäßigen Pflicht.

Auf der Webseite der im Westen immer wieder gern als Staatsmedium und Propagandainstrument des Kreml gescholtenen Auslandsagentur RIA/Novosti ist seit Tagen ein Leserkommentar von »v s« ungestört zu lesen, was wohl inhaltlich von der Putin-Botschaft zu erwarten sei: »Alles gut, obwohl man uns behindert, aber es wird noch besser.« Allerdings würden »alle etwas anderes erwarten: ›ich habe getan, was ich konnte. Ich gehe.‹«

Doch selbst der Autor dieser Aufforderung dürfte nicht ernstlich auf deren Erfüllung wetten. Zu groß und stabil ist mit über 70 Prozent seit Monaten der Umfragewert für den derzeitigen Staatschef, als dass dessen Ablösung auf die eine oder andere Art zu erwarten wäre. Vielmehr ist damit zu rechnen, dass Putin nach einer Bilanz seiner Präsidentschaft nicht nur einen Ausblick auf die kommenden Monate, sondern die Strategie der nächsten sechsjährigen Amtszeit geben wird. Seine diesmal 13. Botschaft zur Lage der Nation wird offenkundig noch lange nicht die letzte sein.

Die »Parteien der Macht«, Geeintes Russland und Gerechtes Russland, unterstützen gemeinschaftlich Putin, der sich als Kandidat selbst und damit von ihnen formell unabhängig aufstellte. Sie hoffen auf wegweisende Orientierungen des Präsidenten und die Beachtung ihrer Vorschläge zur Verbesserung der sozialen Lage. Mit »keinerlei Perspektiven dieser Botschaft«, sondern nur einer Wahlmobilisierung rechnet die KP Russlands. Die ultranationalistischen Liberaldemokraten klagen, eine Botschaft des Präsidenten, der auch Kandidat sei, widerspricht dem »gesunden Menschenverstand«.

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