- Politik
- Repression gegen Kurden
Ermittlungen wegen YPG-Flagge
Musiker verbreitete Artikel des »Bayerischen Rundfunks« kommentarlos auf Facebook
Johannes König ist Cellist bei den Münchener Philharmonikern. Kürzlich klingelte bei dem 27-Jährigen das Telefon. Am Apparat: Das Kriminalfachdezernat 4, zuständig für den Staatsschutz. Ein Beamter teilte dem Musiker mit, dass man gegen ihn wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz ermittele. Mitte März solle er doch in das Kommissariat zur Vernehmung kommen. König war verwundert. Worum ging es genau?
Der Musiker hatte im vergangenen August kommentarlos einen Artikel des öffentlich-rechtlichen »Bayerischen Rundfunk« auf seiner Facebook-Seite geteilt. Der betreffende Text war mit einer Fahne der syrisch-kurdischen Miliz YPG bebildert. Die Miliz und die dazugehörige nordsyrische »Partei der Demokratischen Union« (PYD) sind in Deutschland und der EU legal. Ihre Symbole gelten jedoch nach einem Beschluss des Innenministeriums vom März 2007 dann als illegal, wenn sie von der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) »ersatzweise« für ihre Zwecke benutzt werden. Je nach Bundesland, Behörde und aktuellem Verantwortungsträger wird derzeit unterschiedlich bewertet, wann genau dies zutrifft.
Im Falle der Ermittlungen gegen König rechtfertigte die Münchener Polizei die Ermittlungen. »Die Polizei kann kein Auge zudrücken«, sagte deren Sprecher Sven Müller gegenüber der »Süddeutschen Zeitung« (SZ). Medien dürften zum Zwecke der »Aufklärung« zwar verbotene Symbole zeigen, nicht jedoch deren Nutzer. Wegen der Verbreitung des besagten BR-Artikels würde insgesamt in etwa elf Fällen ermittelt. Müller fügte jedoch einschränkend hinzu: »Als der Gesetzgeber das Gesetz geschrieben hat, wusste er nicht, dass es mal soziale Netzwerke im Internet geben wird.«
Der Musiker selbst zeigte sich in der SZ über die Ermittlungen bestürzt. »Man könnte darüber lachen, wäre es nicht so ernst.« Die bayerische LINKEN-Abgeordnete Nicole Gohlke pflichtete ihm in der Zeitung bei. »Merken die nicht, wie nah sie mit solchen Methoden an Typen wie Erdoğan dran sind?«
Laut Angaben des BR teilten alleine auf Twitter rund 50 Nutzer den inkriminierten Artikel. In dem Text ging es um einen umstrittenen Polizeieinsatz in Bayern. Rund zehn bewaffnete Beamte hatten vergangenen August in München eine Wohngemeintschaft gestürmt. Ein Mitbewohner soll auf Facebook eine Fahne der YPG gepostet haben.
Auch der hier zitierte Beitrag der SZ wurde übrigens mit einer Flagge der Miliz bebildert. Hunderte Menschen haben ihn bisher in sozialen Netzwerken geteilt.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!