Der Exilant

Zum Tod von Ota Filip

  • Ulrich Kaufmann, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.

Wenn Ota Filip zuletzt auf sein Leben blickte - eine Vita, die mit den ideologischen Wirren des 20. Jahrhunderts geradezu verknäuelt war -, dann habe ihn eine »enorme Bitterkeit« erfasst. Seine Tochter Hana sagt dies am Telefon fast beiläufig über ihren Vater, den deutsch-tschechischen Schriftsteller, der am Freitag im oberbayerischen Murnau nach kurzer Krankheit starb. Ein Leben mit den Wegmarken Widerstand, Inhaftierung, Exil. Hana Filip sagt dazu nur: »Wir alle waren sehr geschlagen von der Geschichte des 20. Jahrhunderts.«

Ihr Vater wird am 9. März 1930 im mährischen Ostrava (Ostrau) geboren. In Prag studiert er Journalismus, arbeitet zunächst auch in diesem Beruf für verschiedene Zeitungen - bevor er seinen Lebensunterhalt als Hilfsarbeiter verdienen muss. Denn Ota Filip eckt an in der kommunistischen CSSR. 1960 wird er wegen kritischer Ansichten aus der KP ausgeschlossen, es folgt ein Publikationsverbot. Erst einige Jahre später, im sogenannten »Prager Frühling«, können seine zwischen 1960 und 1963 geschriebenen drei Romane erscheinen.

Während des kurzen ideologischen Tauwetters, das sowjetische Panzer im August 1968 in Prag beenden, kann Filip einige Monate als Verlagslektor arbeiten. Ein Jahr nach der Niederschlagung des »Prager Frühlings« wird er wegen »gröblicher Schmähung« des damaligen Präsidenten der CSSR verhaftet und zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt. Es bedarf internationaler Proteste, damit er 1970 nach 15 Monaten Haft freikommen kann. Erneut muss er sich als Hilfsarbeiter durchschlagen. 1974 geht er mit seiner Familie ins bundesdeutsche Exil. Seit 1977 besitzt Filip die deutsche Staatsbürgerschaft und lebt im oberbayerischen Murnau.

In seiner tschechoslowakischen Heimat zählt Filip zu den beliebtesten Erzählern. Sein 1973 erschienener Schelmenroman »Die Himmelfahrt des Lojzek Lapácek aus Schlesisch Ostrau« bringt ihm viel Lob ein. Im gesellschaftlichen Leben bezieht er immer wieder politisch Stellung. So setzt er sich für eine Aussöhnung zwischen Tschechen und Sudetendeutschen ein. Ein Schatten fällt allerdings auf seine Vita, als er vor fast zwei Jahrzehnten unter dem Druck von Recherchen einräumen muss, in seiner Haftzeit mit der Staatssicherheit kooperiert zu haben. In seinem autobiografisch angelegten Roman »Der siebente Lebenslauf« (2001) versucht sich Filip an einer Aufarbeitung.

In den vergangenen Jahren lebte Ota Filip, so die Darstellung seiner Tochter Hana, am oberbayerischen Alpenrand weitgehend im Zustand der Versöhnung mit seinem Schicksal. Er hielt Kontakt zu jungen Autoren seiner früheren Heimat, organisierte Lesungen und bestieg in seiner Freizeit die Berge. Die Bayerische Akademie der Schönen Künste ehrte ihn mit der Mitgliedschaft, 2012 erhielt er aus den Händen von Präsident Vaclav Klaus in seiner tschechischen Heimat eine hohe Auszeichnung. Bis zuletzt arbeitete er noch für eine tschechische Wochenzeitung.

Trotz aller Verwerfungen und manchmal Bitterkeit habe Ota Filip sein Schicksal auch als große Lebenschance begriffen, meint seine Tochter: »Er war eben kein trauriger Exilant.« dpa/nd

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