Dank »Satan« mit den USA auf Augenhöhe

Putin rüstet Truppen mit Hightech hoch -politisch verfangen sich Ost und West in alten Kalte-Krieg-Denkweisen

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.

Wenn Russlands Präsident Wladimir Putin mit Waffen prahlt, dann verschweigt er die Absicht nicht. Während er sich in der vergangenen Woche bei seiner Rede an die Nation mit martialisch wirkenden Videos und Animationen den Rücken im Wahlkampf stärken ließ, sagte Putin: Lange genug habe man die USA um neue Abkommen zu Begrenzung strategischer Waffensysteme und darum gebeten, vom Raketenabwehrsystem Abstand zu nehmen, doch: »Niemand wollte uns zuhören.«

Wie zu Zeiten des vergangenen Kalten Krieges scheint Putin zu der Ansicht gekommen zu sein, dass Russland sich im Westen nur Gehör verschaffen kann, wenn das russische Militär den Ton bestimmt. Doch er weiß auch um die Gefahr solcher Töne. So betonte der russische Staatschef parallel zur Präsentation von angeblich absolut neuartigen strategischen Waffen: »Wir haben nach wie vor keine Pläne, dieses Potenzial für offensive und erst recht nicht für aggressive Zwecke zu verwenden.«

In der Tat ist Russlands Aufrüstung gigantisch und ökonomisch weit umfangreicher, als es dem Gemeinwesen zuträglich ist. Putin verwies im sozialpolitischen Teil seiner Rede darauf, dass derzeit 20 Millionen Menschen in Russland arm sind. Er will die Anzahl in der nächsten Wahlperiode von sechs Jahren halbieren. Lustvoll erinnert man sich in Washington daran, wie effektiv die Strategie des Totrüstens sein kann.

Zumindest technologisch scheint Russland das unter Jelzin gegrabene Tal des Elends überwunden zu haben. Vor drei Jahren ließ Putin zum 70. Jahrestag des Sieges über den Hitlerfaschismus einen neue Generation von Panzerfahrzeugen über den Roten Platz rollen. Die Familie »Armata« war ein deutliches Zeichen an die in Europa stationierten NATO-Kräfte. Die schickten sich nach der russischen Krim-Besetzung an, neue vorgeschobene Basen an der Westgrenze Russlands zu errichten.

Auch die Luftwaffe bereitet sich auf eine neue Flugzeuggeneration vor. Die Su-35 wird derzeit gerade in Syrien erprobt, die Tu-160-Bomber, die regelmäßig für Aufregung sorgen, wenn sie entlang der NATO-Grenzen Patrouille fliegen, erhalten ein Update. Auch die Flugabwehr ist mit modernsten Waffen ausgestattet. Neue Atom- und konventionelle U-Boote sind in die Flotten eingegliedert worden. Russlands Arktis-Flotte »bleibt die stärkste in der Welt«, sagte Putin, der zugleich betonte, dass sein Land die Militärinfrastruktur nahe dem Nordpol verstärke, um seine Interessen in dieser strategisch wichtigen Region zu sichern. Dieser Tage wurde bekannt, dass sich Russland einen zweiten Flugzeugträger leisten will. Um die Kirche im Dorf zu lassen: Allein die USA haben elf wesentlich mächtigere Träger im globalen Einsatz.

Dennoch, Russlands Zuwachs an moderner Militärtechnik ist nicht zu ignorieren. Wenngleich die Masse des Materials weit entfernt ist von einem Topzustand. Der Krieg in Syrien und die zahlreichen Manöver, mit denen man Kampfbereitschaft probt, fressen das Material und Personal auf. So war das, was hinter Putins Rücken auf Videowänden flimmerte, weit entfernt von einer Zustandsbeschreibung der Streitkräfte. Wohl aber sind die gezeigten Waffensysteme - wie ähnliche in den USA entwickelte - geeignet, bestehende Abrüstungs- und Rüstungsbegrenzungsverträge zu verletzen oder ins Absurde zu kehren.

»Wir haben begonnen, neue Arten strategischer Waffen zu entwickeln, die keine ballistische Flugbahn benutzen. Das bedeutet, dass Flugabwehrsysteme im Kampf gegen sie nutzlos und sinnlos sind«, so Putin in seiner Botschaft an die Nation. Er stellte unter anderem die schwere Interkontinentalrakete RS-28 »Sarmat« vor. Fachleute kennen den Flugkörper zumeist unter dem NATO-Code »Satan-2«. Dass Russland damit nach und nach den aktuellen Raketenkomplex R-36M ersetzen will, ist so bekannt wie die Tatsache, dass mit der »Sarmat« 24 statt der bislang möglichen zwölf Atomsprengköpfe rund um den Globus transportiert werden können.

Es gibt seit Jahren NATO-Berechnungen, die sich aus dem Vergleich der sogenannten Wurfgewichte beider Raketen ergeben. Die R-36 kann theoretisch einen Kopf mit einer Sprengkraft von 20 bis 25 Megatonnen - das ist das 1300- bis 1600-Fache der Hiroshima Bombe - tragen. »Satan-2« soll ein Wurfgewicht von fast fünf Tonnen haben. Auch wenn man das Gewicht auf viele kleinere, einzeln steuerbare und so schwerer abzuwehrende Sprengköpfe verteilt, so wird jedem klar, dass dies keine Waffe ist, die man einsetzen kann - so man am Überleben der Menschheit interessiert ist.

Es geht also abermals um Abschreckung. Laut Russlands Armeemedien sei die »Sarmat« wichtig, um sich vor dem »Prompt Global Strike« zu schützen. Diese US-Militärdoktrin besagt, dass die USA in einem Konflikt innerhalb von einer Stunde jedes Ziel auf der Erde mit konventionellen Waffen zerstören kann. Zugleich warnt man jene US-Träumer, die glauben, dass sie mit modernisierten kleinen Atomwaffen Erfolg haben.

Putin stellte neben der Mega-Rakete, die in den vergangenen Jahren bereits mehrfach getestet wurde, auch die kleine luftgestützte Hyperschallrakete »Kinschal« (Dolch) vor. Auch die sei »unverwundbar«, weil sie gelenkt mit zehnfacher Schallgeschwindigkeit unterwegs ist. Das hat Grenzen, die nicht von Putin, wohl aber den Gesetzen der Physik bestimmt werden. Nicht sehr praktikabel klingen Informationen über einen atomgetriebenen Marschflugkörper. Mit nuklearen Antrieben haben Wissenschaftler immer wieder gespielt. Ohne dass daraus etwas geworden wäre. Dass Laserwaffen in futuristischen Filmen funktionieren, macht sie gleichfalls nicht in der Realität nutzbar und an Unterwasserdrohnen arbeiten neben Russland auch andere Staaten. Allerdings mit weniger Propaganda.

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