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Die Einzelkämpferinnen

3,7 Prozent der Führungspositionen im europäischen Fußball besetzen Frauen, im DFB-Präsidium gibt es auch eine

Frauen, die es im Fußball nach ganz oben schaffen, sind selten. Und noch immer werden sie ungläubig bestaunt, wenn sie so selbstverständliche Dinge tun wie etwa mit der Pfeife im Mund ein Fußballspiel unter Männern regelgerecht zu leiten. Als Bibiana Steinhaus am Samstagnachmittag vor mehr als 55 000 Zuschauern die Partie VfB Stuttgart gegen Eintracht Frankfurt abpfiff, hatte die 38-Jährige aus Hannover bereits die die sechste Partie seit ihrem weltweit bestaunten Debüt in der ersten Bundesliga hinter sich gebracht - ihr sechstes Erstligamatch, wieder ohne gravierende Fehlentscheidungen.

Ilkay Gündogan, deutscher Nationalspieler bei Manchester City, hatte natürlich Recht, als schon er im vergangenen Sommer auf Twitter den Steinhaus-Kritikern den Spiegel vorhielt: »Es haben also alle Angst, dass eine Frau ihre Sache nicht so gut macht wie die Männer, über die sie sich jede Woche aufregen?«

Bibiana Steinhaus selbst ist die Debatte um Frauen und Männer längst leid, wie sie die Öffentlichkeit jüngst beim Neujahrsempfang des Niedersächsischen Fußballverbandes wissen ließ: »Wer Leistung bringt, setzt sich durch. Vollkommen egal, ob der- oder diejenige blond ist, welche Hautfarbe man hat oder Mann oder Frau ist. Es war nie mein Ziel, in eine Männerdomäne reinzukommen; es war mein Ziel, Spiele zu leiten.«

Tatsächlich wird den Frauen, die es im Männerfußball ganz nach oben schaffen, mit reichlich Skepsis und Misstrauen begegnet. Jüngst erst lieferte die »BILD« einen vielbelachten Klassiker, als einer ihrer Reporter die Mainz-05-Aufsichtsrätin Eva-Maria Federhenn über ihre Kandidatur als Klubchefin zu befragen hatte und ihm nichts besseres einfiel als: »Aber was verstehen Sie als Frau vom Fußball?« Federhenn ertrug die sinnfreie Respektlosigkeit mit Fassung, wie auch die Nachfrage, ob sie sich denn zutraue, einen Bundesligisten zu leiten. Sie »lächelte«.

Doch alle Gelassenheit half Federhenn am Ende nicht: Sie schaffte es nicht an die Vereinsspitze, sie scheiterte im ersten Wahlgang. Bis heute wurde kein Bundesligaklub von einer Frau angeführt. Die Beletage des deutschen Profifußballs, ist für Frauen noch immer schwer zu erreichen - ob nun als Schiedsrichterin oder als Präsidentin.

Momentan sitzen nur sieben Frauen bei sechs Bundesligisten im Aufsichtsrat. Zumindest der Zweitligist FC St. Pauli hat mit Sandra Schwedler eine weibliche Aufsichtsratsvorsitzende. Die zu einer milliardenschweren Unterhaltungsindustrie herangewachsene Liga ignoriert offensichtlich noch immer, was etliche wissenschaftliche Studien mittlerweile umfassend belegen: Unternehmen profitieren nicht nur ökonomisch von gemischten Teams. Sie sind auch innovativer. Und auch Männer sind in solchen Unternehmen deutlich zufriedener als in solchen, in denen allein Männer den Ton angeben.

Die Bundesliga steht mit ihrer Rückständigkeit längst nicht allein da. Auch im europäischen Maßstab sieht es mit der Gleichstellung bescheiden aus. Nach einer Untersuchung des Antidiskriminierungs-Netzwerkes »Football against Racism in Europe« sind nur 3,7 Prozent der Führungspositionen im europäischen Fußball mit Frauen besetzt. Die bislang einzige an der Spitze eines wichtigen europäischen Erstligaklubs war Gisela Oeri, die beim FC Basel von 2006 bis 2012 als Präsidentin fungierte.

Oeri gehört allerdings einer Milliardärsfamilie an und hatte zuvor als Mäzenin des Klubs reichlich Argumente für ihre Berufung an die Vereinsspitze geliefert. Mit Oeri-Millionen wurde so mancher Transfer getätigt und so manches Finanzloch gestopft. Bis heute gilt Gisela Oeri aber auch als diejenige, die aus dem Basler Traditionsklub einen Schweizer Vorzeigeverein mit Nachwuchsakademie gemacht hat. Der FCB profitiert bis heute von den professionellen Strukturen, die in ihrer Ägide geschaffen wurden.

Beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) hat man das Thema Frauen zumindest auf der Breitensportebene für sich entdeckt. Mit einem »Leadership-Programm« sollen Frauen »auf künftige Führungsfunktionen im Ehrenamt in der Vereins- und Verbandsstruktur im Fußball« vorbereitet werden. Durch Trainingsmodule und Mentoring soll in dem Programm die Personalentwicklung im Verband vorangetrieben werden. Nicht nur an der Basis, auch an der Spitze fehlt es dem sieben Millionen Mitglieder starken DFB an Frauen. Unter den derzeit 19 Präsidiumsmitgliedern des DFB gibt es nur eine Frau: Hannelore Ratzeburg, die »Vizepräsidentin Frauen- und Mädchenfußball«, deren Aufgabengebiet nur den Frauenfußball umfasst.

Immerhin hat es jüngst Heike Ullrich auf einen der vier Direktorenposten beim neustrukturierten DFB geschafft. Die Direktorinnen und Direktoren bilden zusammen mit Generalsekretär Friedrich Curtius die Geschäftsführung des DFB. Die 48-jährige Ullrich ist seit Januar für den den Bereich »Vereine, Verbände und Ligen« zuständig und damit auch für den kompletten Spielbetrieb der Männer von der 3. Liga an abwärts sowie den DFB-Pokal. Es ist ein Novum: So viel operative Entscheidungsfreiheit wie Ulrich hatte bisher noch keine Frau beim DFB.

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