»Wohnen minus Freiheit«

Schleswig-Holstein will zusammen mit Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg ein Abschiebegefängnis betreiben

  • Dieter Hanisch, Glückstadt
  • Lesedauer: 3 Min.

Glückstadt an der Unterelbe bekommt einen Abschiebeknast, was in der Bevölkerung vor Ort eine gehörige Portion Skepsis auslöst. Schleswig-Holsteins Innenminister Hans-Joachim Grote warb am Mittwochabend auf einer von 250 Einwohnern besuchten Bürgerversammlung in der Stadtkirche für die geplante Einrichtung der Haftanstalt und versuchte wie sein Staatssekretär Torsten Geerdts (beide CDU), dieser einen verbal humanen Anstrich zu geben. Für die Glückstädter steht unterdessen fest: Eine Abschiebehaftanstalt ist nicht gerade ein positiver Werbeträger für den zweitgrößten Ort im Kreis Steinburg.

Die Länder Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern sowie der Stadtstaat Hamburg wollen sich das Abschiebegefängnis mit je 20 Plätzen teilen. Es wird kein Neubau, sondern soll durch Umbau und Nutzung der ehemaligen Marinekaserne, die 2016 vorübergehend als Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge diente, bedarfsgerecht umgewandelt werden. Eine Kostenkalkulation dafür gibt es bisher noch nicht. Ziel ist die Eröffnung spätestens 2020.

Laut Geerdts sei es der Polizei nicht länger zuzumuten, Abschiebehäftlinge wegen fehlender eigener Plätze nach Rheinland-Pfalz zu bringen. Daher forderte er grundsätzlich die Schaffung zusätzlicher Abschiebehaftplätze, von denen es seinen Angaben zufolge derzeit bundesweit nur 400 gebe. Während der Diskussion in der Stadtkirche warnten mehrere Glückstädter davor, dass Schleswig-Holstein mit dem geplanten Abschiebeknast dann auch für andere Länder im Sinne eines »Abschiebehaft-Tourismus« begehrlich werde.

Details über die Einrichtung lassen noch auf sich warten. Dort sollen Männer und Frauen untergebracht werden. Eine Polizeiwache soll ebenfalls eingerichtet werden. Dietlind Jochims, Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche, bedauert den Kurswechsel der neuen schleswig-holsteinischen »Jamaika«-Regierung. Die Vorgängerregierung unter SPD-Regie hatte den Abschiebeknast in Rendsburg geschlossen. Jochims fragt nach der Notwendigkeit des Freiheitsentzuges für solch kleinen Personenkreis. »Ist das nicht vielleicht nur Symbolpolitik?«, fragt die Pastorin.

Der Aufenthalt in der Einrichtung dauere durchschnittlich bis zu drei Monaten. Das Areal soll nach außen geschlossen und wie eine Vollzugsanstalt gesichert sein, innen allerdings jegliche Freizügigkeiten gestatten, weil die dort zum Zwecke der Ausreise Festgehaltenen keine Strafhaft verbüßen. Die Erlaubnis für Internet, Handynutzung, eigenes Kochen, Sport und andere Freizeitbetätigungen, großzügige Besuchsregelungen, die Ausübung der eigenen Religion und der Zugang von unabhängigen Flüchtlingsinitiativen - all das verspricht Geerdts unter dem Motto »Wohnen minus Freiheit«.

Innenminister Grote unterstrich, dass die Abschiebehaft ein letztes Mittel sei. Primär setze die Kieler Landesregierung auf eine freiwillige Ausreise. Davon machten im Vorjahr nach seinen Worten mehr als 1600 asylrechtlich abgelehnte Geflüchtete Gebrauch. Dazu kam es zu rund 300 Abschiebungen. Derzeit gebe es unter den eigentlich Ausreisepflichtigen etwa 7000 Duldungen aus unterschiedlichen Gründen. 2017 scheiterten laut Grote rund 700 Ausreisemaßnahmen, meist weil die Betroffenen untergetaucht seien.

Auch in Darmstadt soll ein neuer Abschiebeknast entstehen. Derweil organisiert sich Widerstand gegen diese Pläne. In Lübeck kam es bereits zu einem ersten norddeutschen Netzwerktreffen von Engagierten im Einsatz für Geflüchtete. Ein bundesweites Arbeitstreffen ist für den 17. März in Paderborn vorgesehen.

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