Syrische Truppen rücken in Ost-Ghuta vor

Rebellen haben bereits die Hälfte ihres Herrschaftsgebiets verloren / Türkische Truppen erobern kurdische Stadt

  • Roland Etzel
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Uhr der Rebellen im östlich von Damaskus gelegenen Gebiet Ost-Ghuta scheint abzulaufen. Regierungstruppen haben dem Vernehmen nach einen Keil in die Enklave getrieben und kreisen die Dschihadistenverbände auf diese Weise auf immer kleiner werdendem Territorium ein. 50 Prozent der Enklave, heißt es, stehen jetzt unter Regierungskontrolle. Dies berichten mehr oder weniger übereinstimmend die rebellenfreundliche Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte als auch die syrische Nachrichtenagentur Sana.

Es läuft damit alles auf ein Szenario hinaus, wie es im September 2016 in der Großstadt Homs und im Dezember jenes Jahres in Aleppo, der zweitgrößten Stadt Syriens, endete. Damals hatte es zuerst zahlreiche Luftangriffe gegeben, anschließend zähes Kampfgeschehen um fast jede Straße. Ehe die Rebellen schließlich doch kapitulierten, waren große Teile der Stadt zerstört. Die westlichen Staaten protestierten gegen den ihrer Meinung nach stattfindenden Krieg der syrischen Führung um Präsident Baschar al-Assad gegen die eigene Bevölkerung und Russlands Unterstützung dafür. Assad berief sich auf das Recht, in diesem Krieg nicht Oppositionelle, sondern Terroristen zu bekämpfen.

Der gegenwärtig neben dem heißen verlaufende propagandistische Krieg weist viele Parallelen zu den Vorgängen in Homs und Aleppo auf. Die syrische Beobachtungsstelle beklagt, dass seit Beginn der Regierungsoffensive am 18. Februar mehr als 900 Zivilisten in Ost-Ghuta ums Leben gekommen seien. Damaskus hält dem entgegen, dass die noch bis zu 400 000 Bewohner der Ost-Ghuta von den Milizen als lebende Schutzschilde missbraucht würden.

Zumindest sind es wohl die Dschihadisten, die immer wieder verhindern, dass von der vorrückenden Armee eingerichtete Korridore von Zivilisten kaum genutzt werden können, weil sie beschossen werden. Die Behauptung der Milizen, die Armee würde die von ihr selbst eingerichteten Fluchtgassen angreifen, ist nicht sehr glaubwürdig. Ähnlich verhält es sich wohl mit den UNO-Hilfskonvois, die schon seit Montag nicht mehr durchgekommen sein sollen. Besonders tragisch: Am Donnerstag mussten einige Lkw infolge schweren Beschusses sogar unentladen die Rückfahrt antreten.

Erneut wird von Rebellenseite auch behauptet, die Regierungstruppen und/oder die russischen Kampfflieger hätten bei ihren Angriffen giftgasähnliche Kampfstoffe eingesetzt. Unterstützt wird der Vorwurf von der »Union of Medical Care and Relief Organizations« und der »Syrian American Medical Society«. Beide Hilfsorganisationen gelten aber nicht als unparteiisch. Sie werden von westlichen Staaten finanziert, sind ausnahmslos in Rebellengebieten tätig und haben bereits in der Vergangenheit Vorwürfe erhoben, die Regierungsseite setze geächtete Waffen ein. Verifizieren ließ sich das nicht.

Auch am Donnerstag gab es von Regierungsseite Aufforderungen an die Rebellen zu kapitulieren. Das Angebot lautet auf freien Abzug samt Familien und selbst unter Mitnahme der Handfeuerwaffen. So wie die Rebellen, die die Region schon seit fast sechs Jahren kontrollieren, aber schon in der Vergangenheit alle Verhandlungsangebote Assads ausgeschlagen hatten, wollen sie auch diesmal - vorerst - nicht aufgeben. Im einzelnen handelt es sich vor allem um Milizen, die sich zu Al Qaida bekennen und sich bis vor kurzem Nusra-Front nannten. Sie werden von Saudi-Arabien finanziert und vom UN-Sicherheitsrat als Terroristen eingestuft. Zwei weitere islamistischen Gruppen, gesponsort von Katar und der Türkei, sind zwar in ihrem Auftreten kaum von Nusra zu unterscheiden, wurden aber bisher nicht als Terrororganisationen benannt.

Gekämpft wird weiter auch im Kurdengebiet Afrin im Norden, das von türkischen Truppen berannt wird. Wie dpa berichtet, haben pro-türkische Rebellen dort am Donnerstag die zweitgrößte Stadt der Region eingenommen. Mit Hilfe türkischer Truppen hätten die Kämpfer den Ort Dschandiris erobert. Die türkische Armee habe das Gebiet aus der Luft und mit Artillerie bombardiert. Gegen dieses völkerrechtswidrige Vorgehen der türkischen Armee auf dem Territorium eines anderen Staates gibt es auch weiterhin keinerlei Proteste der NATO-Verbündeten.

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