»Nich würklich« oder wirklich nicht

In der 49. GWSW-Folge wagt sich das prime time theater bis Friedrichshain

  • Almut Schröter
  • Lesedauer: 3 Min.
Beim Junghühnergeflatter der beiden Teenager Nina und Sina werden die Arme immer länger. Nicht wirklich, es sieht in gekonnter Körpersprache nur so aus. Constanze Behrends Tautorat und Jenny Bins beherrschen die ausschweifenden Gesten. In der 49. Folge von Gutes Wedding, schlechtes Wedding (GWSW) des prime time theaters wird außerdem die aktuelle sinn entleerte Alltagsphrase »nich würklich« lächerlich gemacht. Reden wollen Nina und Sina aber eigentlich nicht viel, sondern singen und mit ihrer Band »The Friedrichshainis« groß rauskommen. Bei ihrem Casting für einen noch fehlenden Mitspieler ist Prenzlwichser Claudio nicht gern gesehen. »Nich würklich« darf er mitmachen. Also, was denn nun? »Na, wirklich nicht!« Auch gut. Der Pseudodenker will sich sowieso noch längere Zeit »mit dem Background des Hintergrunds« oder umgekehrt beschäftigen. Für die Gruppe wäre »nach außen hin« Postbote Kalles spät entdecktes Alliiertenkind Bryan (Martin Klemrath) ohnehin besser am Keyboard platziert, obwohl Nina, die dem Weltimperialismus einen vernichtenden Wimpernschlag nach dem anderen versetzt, meint, Bryan sei ein spießiges Weichei, ein »american capitalist-pig« oder so ähnlich. Vierter im Bunde ist Gitarrist Gabriel, ein Student, der nach einem halben Jahr sogar schon zwei Mal in der Uni war. Stückeautorin Constanze Behrends Tautorat erfand für diese Rolle einen dermaßen dämlichen Kerl, dass Schauspieler Alexander Ther, der sonst im ulkigsten Part keine nicht gewollte Miene verzieht, bei der Premiere am Freitag zusammen mit dem Publikum vom Lachen gepackt wurde. Nun, die Band wird schon zeigen, was sie drauf hat. In der 50. Folge »Süpermän« muss sie sich einem Wettbewerb stellen. Die Hörprobe von »Genug von dir, genug von mir« war ergreifend. Postbote Kalle (Oliver Tautorat) ist schuld daran, dass es Bryan bis runter nach Friedrichshain verschlagen hat. Dabei liegt der Stadtteil für einen eingefleischten Weddinger schon fast in Brandenburg. Doch Kalle will unbedingt ein Techtelmechtel mit der Richterin Clara Fall vom Weddinger Amtsgericht - und deren Tochter ist nun mal Nina. Auch Heidemarie Schinkel, vermeintliche Leiterin des Arbeitsamtes gegenüber an der Müllerstraße - also nicht wirklich - taucht in der 49. Folge der Theater-Sitcom auf und gibt wieder einen Kurs in »angewanddem Säggsisch« in ost- und westdeutscher »Natour«, während sie ihre Zwillinge stillt. Das Publikum macht so begeistert mit, dass sie auf die Idee kommt, demnächst Prüfungen abzunehmen. So unbeschwert geht es für Schinkelsche aber nicht weiter, denn Dönertaxifahrer Murats Mutter Hülia Ölgur ist wild entschlossen, Heidemaries Ehemann Ahmed zu heiraten. Um das zu vereiteln, muss sich Frau Schinkel einiges einfallen lassen. Es jagt also wieder ein Problem das andere im prime time theater. Was fröhlich seit 2004 als für die Bühne weiterentwickeltes TV-Format nach »Simpsons«- und »Friends«-Vorbild zur besten Fernsehzeit ab 20.15 Uhr halb improvisiert gespielt wird, gewinnt weiter an Schnelligkeit und Schärfe. Dafür wird GWSW vom Publikum heiß geliebt. Lediglich die Rolle der Kiezschlampe Sabrina ist momentan kaum skandalträchtig. Dabei sagt sie selbst, sie muss doch ihrem Ruf gerecht werden. Wer als Gast neu ins prime time theater kommt, hat kein Problem, die schrägen Weddinger Charaktere schnell kennen zu lernen. Zu Beginn jeder neuen Folge, wird angespielt, was bisher geschah. Diesmal geht Postbote Kalle noch einmal los, um gemäß dem Antidiskriminierungsgesetz E-Mails an Weddinger Bürger auszutragen, die keinen Computer besitzen. Weil er die E-Mails auch vorlesen muss, erfährt Hülia Ölgur etwas Neues - und prompt geht das Theater los. Bis 17., 20.-24.4., 27.4.-1.5., 20.15 Uhr, prime time theater, Müllerstr. 163b, Wedding, Karten (8/5 Euro) am Tel.: 49 90 79 58, im Internet www.primetimetheater.de

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