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- Pendler in Berlin und Brandenburg
Volle Züge machen Politik Druck
Gemeinsame Kabinettssitzung von Berlin und Brandenburg zu Verkehr und Wohnungen
Ein paar zusätzliche Fahrten und mehr Kapazität durch Einsatz von Doppelstockwagen auf einigen Linien, immerhin darauf können sich die Bahnpendler der Region in den nächsten Monaten freuen. Ab 9. April wird zum Beispiel die Kapazität auf einigen Fahrten der Linie RB25 zwischen Werneuchen und Berlin wochentags erhöht, auch auf der Oderlandbahn RB26 können durch die Auslieferung weiterer Wagen die Züge zwischen Müncheberg und Berlin verlängert werden, zum Fahrplanwechsel im Dezember wird die Linie auch den Umsteigeknoten Berlin-Ostkreuz anfahren. So viel wurde im Vorfeld der gemeinsamen Kabinettssitzung der Landesregierungen Brandenburgs und Berlins in Neuhardenberg (Märkisch-Oderland), deren Ende nach Redaktionsschluss dieser Seite angesetzt ist, schon mal bekannt. »Immerhin als Geste ist das zu begrüßen«, sagt Jens Wieseke vom Berliner Fahrgastverband IGEB zu den demnächst tatsächlich greifbaren Ergebnissen der in jüngster Zeit intensiveren Zusammenarbeit der zwei Bundesländer.
Natürlich ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein - über 300 000 Menschen pendeln werktäglich zwischen der Hauptstadt und der Mark. Allein zwischen Mitte 2016 und Mitte 2017 stiegen die Zahlen um knapp drei Prozent. Das wissen natürlich auch die beiden Regierungen. An dem Gespräch unter Leitung von Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke und Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller (beide SPD) nehmen auch Deutsche-Bahn-Chef Richard Lutz und der DB-Vorstand für Infrastruktur, Ronald Pofalla, teil. Themen sind unter anderem der Regionalverkehr oder auch die Verbindungen nach Polen.
Dabei sollen auch die nächsten Schritte des im Oktober vorgestellten Konzepts »i2030« erörtert werden. Acht Eisenbahnkorridore der Region sowie die S-Bahn werden in einem gemeinsamen Lenkungskreis mit der Deutschen Bahn untersucht. Um die Realisierung zu beschleunigen, gehen die beiden Länder in Vorleistung. Denn die Korridore werden nach der entsprechenden grundsätzlichen Bewertung und Priorisierung gleich bis zum genehmigungsreifen Entwurf vorgeplant. Üblicherweise ist nach der Vorplanung zunächst Schluss, bis Bundesmittel gesichert sind. Sechs Millionen Euro sind dafür dieses Jahr eingeplant - immerhin ein Anfang.
Viele Projekte sind lange schon in der Diskussion. So zum Beispiel die Wiederinbetriebnahme der Heidekrautbahn zwischen Basdorf im Landkreis Barnim und Berlin-Wilhelmsruh. Der Personenverkehr auf dem Abschnitt wurde infolge des Mauerbaus 1961 eingestellt. Stattdessen steuern die Züge den Bahnhof Berlin-Karow an. Jochen Bona vom Deutschen Bahnkundenverband Berlin-Brandenburg (DBV) hält nichts davon: »Die Strecke nach Karow ist wesentlich schneller und die Züge können mit geringen Investitionen von dort zum Umsteigeknoten Berlin-Gesundbrunnen verlängert werden«, sagt er dem »nd«. Jens Wieseke vom IGEB hält einen Betrieb beider Strecken - nach Wilhelmsruh und nach Karow - für sinnvoll. »Diese sollten beide nach Gesundbrunnen verlängert werden«, fordert er.
Tatsächlich ließe sich eine Wiederinbetriebnahme recht zügig realisieren. Die Niederbarnimer Eisenbahn (NEB) als Eigentümerin der Infrastruktur hat sogar einen gültigen Planfeststellungsbeschluss für die Errichtung eines kurzen Bahndamms nebst Bahnsteig in Wilhelmsruh, der noch bis März 2021 gültig ist. Bei der NEB ist man derart zuversichtlich, dass dieser Tage sogar schon Bäume auf der möglichen Trasse gefällt wurden.
Trotz aller Verbesserungen ist nach Ansicht von Jochen Bona die Zusammenarbeit beider Länder weiterhin problematisch. »Beim letzten Landesnahverkehrsplan wurde lediglich beim Berliner Senat angerufen und um Unterzeichnung gebeten, da man darüber abstimmen müsse«, schildert er die mangelnde Kooperation. Es sei auch unglücklich, dass die beiden Landesnahverkehrspläne zu unterschiedlichen Zeiträumen erarbeitet würden. Berlin erstellt gerade den von 2019 bis 2023 gültigen Plan, während der Brandenburger Plan seit diesem Jahr bis 2022 laufe. Er fordert ein gemeinsames Ländernahverkehrskonzept für den ABC-Bereich der Hauptstadtregion. »Auch wenn dies sicherlich ein bisschen kompliziert ist«, wie er sagt.
Die Planungsvorgaben zum Konzept 2030 des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB) zielten »von vornherein nicht auf den schon heute höheren Bedarf und die absehbaren Bedarfssteigerungen, sondern nur auf minimale Angebotsverbesserungen«, kritisiert die IG Nahverkehr der Berliner Linkspartei. »Unbrauchbar und unbefriedigend« seihen die Ergebnisse daher.
»Die Erweiterung der Kapazitäten sowie der Ausbau der Streckeninfrastruktur müssen schnell umgesetzt und der Investitionsstau abgebaut werden«, fordert auch Christian Hoßbach, Landesvorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Berlin-Brandenburg.
Ohne funktionierenden Nahverkehr wird auch die Entlastung des Berliner Wohnungsmarkts durch Städte der sogenannten zweiten Reihe, wie Brandenburg an der Havel oder Eberswalde, nicht funktionieren. Auch das stand auf der Agenda der Kabinettssitzung.
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