Wo Dunkel den NSU umgibt

Noch immer befasst sich im Nordosten kein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss mit der Terrorgruppe

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 4 Min.

Gut 14 Jahre sind vergangen, seit der 25-jährige Imbissverkäufer Mehmet Turgut in Rostock erschossen wurde, vermutlich von Mitgliedern des »Nationalsozialistischen Untergrunds«, kurz NSU. Jener Terrorformation, deren Kern Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe gebildet hatten. Beide Männer hatten sich laut Polizei 2011 selbst getötet, ihre Komplizin muss sich seit 2013 vor Gericht verantworten. Sie sei an mehreren Morden beteiligt gewesen, wirft ihr die Staatsanwaltschaft vor, auch an dem Verbrechen, dem Turgut zum Opfer fiel.

Im Zusammenhang mit diesem Mord stellt sich nach wie vor die Frage, inwieweit die NSU-Terroristen in Mecklenburg-Vorpommern Unterstützer hatten. Und offen ist, ob es Versäumnisse der Behörden beim Beobachten der mörderischen Clique und bei den Ermittlungen zu ihren Taten gab, zu denen auch zwei Banküberfälle in Stralsund gehören sollen.

Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses verschoben

Licht ins Dunkel könnte ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss (PUA) bringen, meinen Politiker und Terror-Experten. In der laufenden Woche, so war erwartet worden, werde der Landtag jenes Gremium einsetzen. Doch überraschend steht dieser Schritt nicht auf der Tagesordnung. Die Gründung des PUA ist verschoben worden. Grund dafür seien Zwistigkeiten der Koalitionsparteien SPD und CDU, heißt es.

Die Union ist verärgert, weil die SPD das Einsetzen des Ausschusses mit einem maßgeblich von den oppositionellen LINKEN erarbeiteten Papier begründet habe. Ehe der Hickhack zwischen den Regierungspartnern nicht ausgeräumt ist, dürfte der PUA kein Thema im Plenum sein und womöglich nach wie vor auf die lange Bank geschoben werden.

Befürworter eines solchen Gremiums fragen sich, weshalb es noch immer nicht zustande gekommen ist und wer dem PUA einen Hemmschuh in den Weg stellt. Ist es Innenminister Lorenz Caffier (CDU), vielleicht fürchtend, es könnten unangenehme Wahrheiten über eine womöglich mangelhafte Arbeit der ihm unterstellten Behörden ans Licht kommen? Mehrfach war der Ausschuss – vor allem von der Linksfraktion – gefordert worden, doch Caffier hatte sich stets gegen ihn ausgesprochen. Warum? Missfällt es dem Minister, dass ein PUA weitaus mehr Rechte hat, als der sogenannte Unterausschuss, der sich bereits seit März 2017 mit der NSU-Thematik befasst, aber in seinem Handeln sehr eingeschränkt ist?

Dieses Gremium, es gehört zum Innenausschuss, kann zum Beispiel keine Zeugen vernehmen, und es darf keine Akten von Behörden anfordern, auch nicht zu NSU-Erkenntnissen anderer Bundesländer. Ein PUA dagegen hat diese Befugnisse.

Allerdings ist es dem Unterausschuss gestattet, Fachleute anzuhören, so wie es in Schwerin geschah. Dort zog der Politikwissenschaftler Gideon Botsch das Resümee, das Vorgehen der Sicherheitsbehörden in puncto NSU sei im Nordosten »nicht gut gelaufen«, und die Aufarbeitung des Mordes an dem 25-Jährigen sei »besonders schlecht« gewesen.

Ebenfalls im Unterausschuss kam der NSU-Experte Dirk Laabs zu Wort, konstatierte unter anderem, auch der Verfassungsschutz solle zu seiner Arbeit von einem PUA befragt werden. So beispielsweise zu den Verbindungen des NSU-Trios Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe zu einer Frau in Rostock, bei der sie auch übernachteten und die später als Sekretärin der NPD-Landtagsfraktion gearbeitet habe. Das Parlament, so Laabs, dürfe den Sicherheitsbehörden mögliche Fehler nicht durchgehen lassen. Deshalb müsse ein PUA installiert werden.

CDU unterstützt einen Untersuchungsausschuss nicht bedingungslos

Zu dieser Forderung zeigt sich die CDU-Fraktion zurückhaltend. Zwar werde sie den PUA mit einrichten, sagte ihr Vorsitzender Vinzent Kokert, aber nur, wenn der Ausschuss »ein konkretes Ziel« habe, denn nur dann lasse sich dessen personeller und finanzieller Aufwand rechtfertigen. Darüber hinaus sei es zu bezweifeln, dass solch ein Ausschuss viele neue Erkenntnisse bringe, so Kokert sinngemäß. Auch die Landtagsabgeordnete Ann Christin von Allwörden, sie vertritt die Christdemokraten im Unterausschuss, steht einem PUA distanziert gegenüber. Sie meint, nach NSU-Untersuchungsgremien im Bund und in anderen Bundesländern sei es nicht nötig, auch noch einen in Mecklenburg-Vorpommern einzurichten.

Wird er eingerichtet, so stellt sich die Frage, was von ihm zu erwarten ist, ob er tatsächlich den ganzen Komplex »NSU in Mecklenburg-Vorpommern« erhellen kann oder ob ihm Steine in den Weg gelegt werden. Etwa dadurch, dass Behörden wichtige Informationen mit dem Verweis auf »Quellenschutz« zurückhalten oder dass vorgeladene Beamte mauern, indem sie angeben, sie hätten nicht die erforderliche Aussagegenehmigung von ihrem Dienstvorgesetzten. Der PUA, der sich in Niedersachsen in der vergangenen Legislaturperiode mit möglichen Versäumnissen der Behörden bei der Bekämpfung des radikalen Islamismus befasste, weiß davon ein Lied zu singen.

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