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Bewohner Afrins auf der Flucht

Trotz der Einnahme durch die türkische Armee wollen die Kurden den Widerstand fortsetzen

  • Axel Gehring
  • Lesedauer: 3 Min.

Es war letztlich abzusehen: Nach anfänglichen Schwierigkeiten, die gut ausgebauten Stellungen der kurdischen Milizen YPG und YPJ zu überwinden, haben es die türkische Armee und verbündete Rebellen dann doch geschafft, in verlustreichen Kämpfen den gesamten grenznahen Raum im Nordwesten Syriens zu erobern. Statt dann einen Großangriff auf die Stadt Afrin zu starten, drang man langsam auf strategisch wichtige Stellungen und Anhöhen vor. Von dort aus begann seit etwa Mitte Februar die Belagerung Afrins. Den fortwährenden Artillerie- und Luftangriffen hatten die Verteidiger wenig entgegenzusetzen. Während die Belagerer, bei nunmehr überschaubaren Eigenverlusten, immer näher an die Stadt heranrückten, spitzte sich die humanitäre Lage dort zu. Die Wasserversorgung wurde schwer getroffen, Krankenhäuser, Wohngebiete und die Kommunikationsverbindungen ebenso. Kurz vor dem zweiten Märzwochenende eroberten die Invasoren auch einen Teil der Hauptstraße nach Aleppo. Nachschub konnte die Stadt fortan nicht mehr erreichen, das militärische Schicksal der Verteidiger war besiegelt.

Allerdings wurde ein Korridor gelassen, dessen schmale Straßenverbindungen die Flucht aus der Stadt erlaubten. Während die Autonomieverwaltung massiven Widerstand im Kampf um Afrin ankündigte und die Türkei ihr unterstellte, Zivilisten an der Flucht zu hindern, gelang dem Gros der Kämpfer genau das - sie verließen die Stadt über einen schmalen Korridor. Unnötige Opfer konnten so verhindert werden.

Die Niederlage aber bleibt. Knapp zwei Monate nach dem Beginn der Militäroffensive haben die türkische Armee und die mit ihr verbündete Freie Syrische Armee die umkämpfte kurdische Stadt eingenommen, wie Präsident Recep Tayyip Erdogan am Sonntag bei einer Rede anlässlich des »Tags der Märtyrer« im westtürkischen Canakkale sagte. Das Stadtzentrum sei seit 08.30 Uhr Ortszeit »vollkommen« eingenommen. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte bestätigte die Einnahme.

Mindestens 150 000 Menschen sollen auf der Flucht sein, nach Angaben des Kurdischen Roten Halbmonds gar bis zu 900 000. Eine arabische Besiedlung Afrins wurde von der türkischen Regierung bereits angekündigt. Offen wird angekündigt den Siedlern die türkische Staatsbürgerschaft zu geben - dies deutet auf eine dauerhafte Annexion hin. Derweil hat die syrische Kurdenpartei PYD angekündigt, ihren Widerstand in anderer Form fortzusetzen.

International mochte die türkische Offensive auf Afrin nicht das beherrschende Thema gewesen sein, fand aber mediale Beachtung. Der Angriff wurde vielfach verurteilt - so rang sich etwa das Europaparlament zu einer Resolution gegen den Angriff durch. Doch die außenpolitisch maßgeblichen Institutionen schwiegen - oder drückten diese Inhaltsleere in wortreichen Erklärungen aus. Einzig die französische Regierung stach mit ihrer Kritik heraus, schon im Januar hatte sie das Thema auf die Agenda des Sicherheitsrates der UN gebracht - allerdings folgenlos. Auch auf die Resolution vom 24. Februar, die zur Einstellung aller Kampfhandlungen in Syrien aufforderte, reagierte die türkische Regierung nicht. De facto war die UN-Resolution ohnehin an die syrische Regierung adressiert, die sie ihrerseits ignorierte.

Für die syrische und russische Regierung stellt die Kampagne zur Eroberung von Ost-Ghuta sowie die perspektivische Rückgewinnung der Provinz Idlib derzeit das primäre Ziel dar. Letztere erfordert begrenzte Konzessionen an die Türkei, - auch deshalb konnte Ankara im Windschatten der beiden Kampagnen Afrin einnehmen. Die Region taktisch zu opfern mag nicht unbedingt den langfristigen Interessen des syrischen Regimes entsprechen. Noch ist es aber nicht in der Lage, sich in ganz Syrien gleichzeitig durchzusetzen. Daher verzichtete es auf wirksamen Widerstand gegen die türkische Invasion. Und auch deshalb hat die türkische Offensive zu keinem Arrangement zwischen Damaskus und der kurdischen Autonomieverwaltung geführt – denn Damaskus hatte Afrins Verteidigern nichts anzubieten.

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