Strom für die Aluminiumindustrie
Talsperre mit höchster Staumauer der Welt entsteht derzeit in Tadschikistan - Kraftwerk soll den Energiemangel des Landes beseitigen
Anlässlich eines Staatsbesuchs in Tadschikistan hat der usbekische Präsident Schawkat Mirsijojew kürzlich bekanntgegeben, dass sein Land den Widerstand gegen ein Megaprojekt aufgibt: den Bau des Rogun-Staudamms, der rund 100 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Duschanbe den Fluss Wachsch oberhalb des bereits in Betrieb befindlichen Nurek-Staudamms anstauen soll. Das Projekt galt bisher als Hauptgrund jüngster Spannungen zwischen beiden Ländern. Mirsijojew sagte seinem tadschikischen Amtskollegen Emomali Rachmon, dass sich Usbekistan auf breiter Front in tadschikischer Wasserkraft engagieren wolle. Beide Seiten hoffen, dass das einsetzende Tauwetter in den zwischenstaatlichen Beziehungen für beide zu greifbarem Fortschritt führt.
Die Rogun-Planungen gehen bis in die 1950er Jahre zurück. Der Bau war 1976 als sowjetisches Projekt begonnen und 1991 mit der Unabhängigkeit Tadschikistans zunächst wieder gestoppt worden. Im Oktober 2016 wurden die Arbeiten dann wieder aufgenommen. Das italienische Unternehmen Salini Impregilo hatte den Zuschlag für den Bau erhalten, der umgerechnet rund vier Milliarden US-Dollar kosten soll. Woher das Geld kommt, bleibt unklar. Gerüchten zufolge stammt es nicht von der Weltbank, die solche Infrastrukturprojekte in ärmeren Ländern häufig mitfinanziert, sondern von China, das bereits Investitionen im Straßenbau des Landes getätigt hat. Ferner müssen Folgekosten für die Umsiedlung tausender Talbewohner und für mögliche Umweltschäden einberechnet werden.
Nach ihrer Fertigstellung noch in diesem Jahr soll die Talsperre mit 335 Meter die höchste Stauermauer der Welt haben. Das dazugehörige Wasserkraftwerk ist für eine Leistung von 3600 Megawatt konzipiert; das entspricht etwa der Leistung von drei Kraftwerken. Jährlich sollen dann 13,1 Terawattstunden Elektroenergie bereitgestellt werden können. Häufige Stromausfälle und der generell verbreitete Energiemangel in Tadschikistan sollen dann Geschichte sein.
Im flussabwärts liegenden Usbekistan wird befürchtet, dass das Stauwerk die Wasserversorgung für den Baumwollanbau stören könnte. Das »weiße Gold« ist nach wie vor das wichtigste Agrarerzeugnis Usbekistans. Doch auch in Tadschikistan lauern Probleme, vor allem finanzieller Art: Um wie geplant den produzierten Strom auch nach Südasien zu exportieren zu können, müssten neue Trassen gebaut werden, wofür eine Milliarde US-Dollar veranschlagt werden. Ein noch größeres Problem betrifft auch andere zentralasiatische Staaten: Alte Anlagen zu Stromgewinnung und dessen Transport müssen modernisiert werden, denn sie stammen meist aus der Zeit, in der diese Länder Sowjetrepubliken waren. Geschätzter Investitionsbedarf bis 2022: 36 Milliarden Dollar. Ein Beispiel dafür ist der Nurek-Staudamm, der zur Zeit 70 Prozent des tadschikischen Stroms liefert und dringend der Wartung bedarf. Allein das Entfernen von Ablagerungen aus dem Staubecken und die Überholung des Kraftwerks schlagen mit einer Milliarde Dollar zu Buche.
Der Strom von Rogun ist auch für den Ausbau der energieintensiven Aluminiumindustrie bestimmt. Die noch aus Sowjetzeiten stammende Tajik Aluminium Company (TALCO) in Tursunsoda konsumiert bei voller Auslastung 40 Prozent des tadschikischen Stroms. Wegen der wirtschaftlichen Bedeutung wurde der Ort während des Bürgerkriegs sogar zum Schauplatz von Kampfhandlungen. Heute ist TALCO Chefsache: Präsident Rachmon persönlich steht dem Unternehmen vor, das fast die Hälfte des Bruttoinlandprodukts und 90 Prozent der Deviseneinnahmen erwirtschaftet - und regelmäßig wegen Korruption für Schlagzeilen sorgt.
Ende 2017 wurde bekannt, dass die chinesische Yunnan Construction and Investment Holding Group neben TALCO für 1,8 Milliarden Dollar eine weitere Aluminiumhütte errichten will. Die Investition unterstreicht Chinas Ambitionen in der Region. Seit einigen Jahren wird verstärktes Interesse Pekings an den ehemaligen zentralasiatischen Sowjetrepubliken registriert. Grund sind die Pläne für eine neue Seidenstraße, in denen auch Tadschikistan eine Rolle spielt.
Die Präsidenten Tadschikistans und Usbekistans bemerkten in einer gemeinsamen Presseerklärung anlässlich ihres Treffens in Duschanbe, dass tadschikische Wasserkraftwerke ganz Zentralasien zugute kommen könnten. Diese Rhetorik deutet auf eine echte Kehrtwende hin: Unter dem 2016 verstorbenen usbekischen Präsidenten Islam Karimow hatte ein aggressiver Tonfall gegen das Rogun-Projekt geherrscht. Dieses galt zu jener Zeit noch als Bedrohung für die Sicherheit Usbekistans.
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