Frostige Beziehungen

Wirbel um Belästigung von Diplomaten trübt indisch-pakistanisches Verhältnis weiter ein

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 4 Min.

Vergangenen Donnerstag hat Pakistan seinen Hochkommissar in Delhi, Sohail Mahmood, zu Konsultationen in die Heimat zurückbeordert. »Es ist keine Abberufung, sondern ein ganz routinemäßiger Schritt«, versuchten regierungsamtliche Stellen in Indien danach diese Entscheidung herunterzuspielen. Doch die nächste Nachricht, dass sich die Lage weiter hoch- schaukelt, folgte prompt. Pakistan wird am Montag und Dienstag nicht am informellen Ministertreffen der Welthandelsorganisation (WTO) in der indischen Hauptstadt teilnehmen. »Wir können unseren Handelsminister Pervez Malik in der gegenwärtigen Situation nicht nach Delhi schicken und haben die indische Seite darüber informiert«, lautete die Mitteilung aus dem Außenamt in Islamabad, die im Vormonat ausgesprochene Einladung nicht wahrzunehmen.

In den vergangenen Tagen war nach und nach das Ausmaß der jüngsten Zuspitzung in dem ohnehin nicht einfachen Verhältnis öffentlich geworden. Ob das Personal der indischen Vertretung in Pakistan oder umgekehrt die Mitarbeiter des pakistanischen Hochkommissariats in Delhi - beide Seiten beklagen, das sich seit Beginn des Jahres unliebsame Vorfälle gehäuft hätten. Da geht es etwa um Kinder von Diplomaten, die auf dem Schulweg beschimpft werden. Um einen Mitarbeiter, der bei einem offiziellen Termin nicht erscheinen kann, weil sein Fahrzeug von Unbekannten auf einer belebten Kreuzung explizit blockiert wurde. Um jemanden, der nachts um drei an der Haustür klingelt, um Geld zu fordern. Wasser oder Strom werden einfach mal abgestellt. Und dann sind da auch noch die mutmaßlichen Geheimdienstmitarbeiter, die allgegenwärtig seien.

Speziell die indischen Diplomaten in Islamabad klagen zudem darüber, dass Webseiten ihres Heimatlandes gesperrt seien und sich damit auch der normale konsularische Betrieb samt dem Ausstellen von Visa kaum aufrecht erhalten lasse. Pakistan wiederum findet in Delhi die Belästigungen und Einschüchterungen, denen Ehefrauen und Kinder ausgesetzt seien, so massiv, dass darüber nachgedacht werde, die Familien der Diplomaten zurückzuholen.

Die indische Seite will laut eigenen Angaben mit Protestnoten zweimal im Januar, viermal im Februar und auch schon dreimal im aktuellen Monat auf die Vorkommnisse hingewiesen und mehr Schutz für ihre Diplomaten verlangt haben. Auch Pakistan argumentiert, dass sich an der Lage trotz mehrfacher kritischer Hinweise nichts geändert habe und man jetzt eben bei den Konsultationen mit Sohail Mahmood das weitere Vorgehen beraten werde.

Wenig hilfreich mutet da an, was Indiens Innenminister am Wochenende von sich gab. Denn Rajnath Singh goss noch Öl ins Feuer, als er betonte, die indische Armee könne notfalls auch die Line of Control (Waffenstillstandslinie) in Jammu und Kaschmir überschreiten, »um die territoriale Integrität des Landes zu sichern«. Er wiederholte einmal mehr den regelmäßig vorgebrachten Vorwurf, Pakistan biete Terroristen Unterschlupf, und nannte speziell den Namen Hafiz Saeed.

Das ist der Gründer der Gruppe Lashkar-e-Toiba (LeT), die (neben ihrem primären Wirken in Kaschmir) auch für die Terrorakte am 26. November 2008 in Mumbai verantwortlich gemacht wird - obwohl eine direkte Verbindung des einzig überlebenden (und inzwischen hingerichteten) Täters zur LeT gar nicht bewiesen ist.

Im November 2016 hatte Indien den Gipfel des regionalen Staatenbundes SAARC im pakistanischen Karatschi platzen lassen, indem es nicht nur sein eigenes Fernbleiben erklärte, sondern auch auf Bangladesch, Bhutan und Afghanistan Einfluss nahm, unmittelbar nachzuziehen. Dabei hatte sich nach dem Wahlsieg von Premierminister Narendra Modi und seiner hindunationalistischen Bharatiya Janata Party (BJP) im Mai 2014 neue Hoffnung breitgemacht, der eingeschlafene Dialogprozess der Erzrivalen könnte wieder in die Gänge kommen.

So lud Modi seinen damaligen pakistanischen Counterpart Nawaz Sharif zu seiner Amtseinführungsfeier ein, wo beide noch ein etwa einstündiges Gespräch führten und sich anschließend per Händedruck vor der Presse zeigten. Im Dezember 2015 legte Modi auf dem Rückweg von Afghanistan einen überraschenden Zwischenstopp in Lahore ein, wo er am Flughafen von Sharif umarmt und per Helikopter zu dessen Privatresident gebracht wurde. Noch einmal trafen beide Männer dann kurz beim Gipfel der Shanghai-Gruppe (SCO) vergangenen Juni im kasachischen Astana zusammen. Doch nun herrscht Eiszeit.

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