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Hebammen verzweifelt gesucht
Geburtshelferinnen erleben dramatische Szenen, auch Geld wird ihnen geboten
»Am besten fangen die Frauen schon nach einem positiven Schwangerschaftstest an zu suchen«, sagt Simone Logar vom Vorstand des Berliner Hebammenverbands. Es sei besorgniserregend, wenn Schwangere oder junge Mütter Hilfe suchen, aber keine bekommen. Auch der Zentrale Hebammenruf bestätigt eine »katastrophale Lage«. »Wir können kaum noch Frauen vermitteln«, sagt Mitarbeiterin Ingrid Wolff.
»Früher war es besonders in der Ferienzeit und um Weihnachten schwer, eine Hebamme zu finden. Jetzt zieht sich das Problem durch das ganze Jahr«, sagt Logar. Viele Kolleginnen müssten etwa 30 bis 50 Anfragen pro Woche ablehnen. Auch von Geldangeboten habe sie gehört oder auch von Offerten, einen Stellplatz fürs Auto oder ein Taxi zu zahlen. Sie hoffe aber, dass ihre Kolleginnen so viel Rückgrat haben und solche Angebote ablehnen, so Logar. Schließlich habe jede Frau den Anspruch auf kostenlose Hebammenbesuche.
Gerade in den ersten Tagen nach der Geburt sei die Hilfe wichtig. Viele Frauen würden heute schon wenige Tage nach der Geburt aus der Klinik entlassen und stünden dann allein da - auch mit Problemen wie schlecht abheilenden Nabeln oder einer nicht erkannten Neugeborenengelbsucht. Den Frauen bleibe oft nur der Weg zum Kinderarzt. Doch auch die Praxen seien hoffnungslos überlaufen. »Und es ist einer Frau kurz nach der Geburt einfach nicht zuzumuten, sich bei minus 12 Grad mit ihrem Neugeborenen auf den Weg zu machen«, so Logar.
Gute Chancen auf Hilfe gab es lange beim Zentralen Hebammenruf. Doch Ingrid Wolff und ihre Kollegin können Schwangeren und jungen Müttern kaum noch Hoffnung machen. »Wir vermitteln nur noch etwa eine Frau pro Tag an eine Hebamme, früher waren es 200 pro Monat«, sagt die Ehrenamtliche. Kapazitäten gäbe es derzeit nur noch im Südwesten Berlins. Am Telefon spielten sich oft verzweifelte Szenen ab, sagt Wolff. Vor allem Frauen, deren Familien weit weg lebten, fühlten sich besonders hilflos und allein. Mitunter werde sie auch beschimpft.
Wer auf traditionelle Weise keine Hilfe findet, wird im Netz fündig: Sabine Kroh gehört mit ihrem Startup »Call a midwife« zu den Anbietern von Online-Beratungen. Seit zwei Jahren können Frauen sich bei ihr und Kolleginnen gegen Geld professionelle Hilfe per Videochat mit einer Hebamme holen. »Da wir zehn Sprachen anbieten, melden sich Frauen aus der ganzen Welt bei uns«, sagt Kroh. Zunehmend kommen Anfragen aber auch aus Deutschland, erklärt die Hebamme, ohne Zahlen zu nennen. Sie verhandle gerade mit den Kassen über eine geregelte Kostenübernahme. Kroh kann die Skepsis des Hebammenverbands, der kostenpflichtige Angebote ablehnt, nicht nachvollziehen. Aus ihrer Sicht ist der Bedarf nach digitalen und professionellen Angeboten da. »Die Mütter sind alle digital, nur die Hebammen nicht«, sagt Kroh. Auch ihr Berufszweig müsse sich mit dem Thema auseinandersetzen. Sie helfe, Hebammenwissen zugänglich zu machen, das der Gesellschaft ohne Internet möglicherweise verloren ginge. Manche Hebammen seien aus familiären oder gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, ständig zu Hausbesuchen zu fahren. Das Netz sei eine gute und effektive Möglichkeit für diese Frauen, von zu Hause aus zu arbeiten. Nicht alle, aber viele Fragen ließen sich auch online klären.
In Berlin ist die Zahl der Geburten in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. 2016 kamen in den 19 Geburtskliniken rund 42 600 Babys zur Welt und damit so viele wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr. Der Zuwachs sei auf die günstige Altersstruktur und die allgemeine Zuwanderung - nicht nur von Flüchtlingen - zurückzuführen, sagt Bevölkerungsexperte Jörn Ehlert vom Amt für Statistik Berlin-Brandenburg.
Um die Engpässe wegen des Babybooms zu beheben, wurde in Berlin im Februar ein Aktionsplan beschlossen. Vorgesehen ist unter anderem, mehr Hebammen auszubilden und ihre Arbeitsbedingungen in den Geburtskliniken zu verbessern. Außerdem stellt der Senat zusätzlich 20 Millionen Euro für die Erweiterung von Kreißsälen bereit.
Derzeit kümmern sich dem Verband zufolge etwa 750 Hebammen um werdende und junge Mütter in der Stadt. Viele davon arbeiten - auch aufgrund unattraktiver Arbeitsbedingungen und hoher Belastungen - in Teilzeit. An den Kliniken gibt es nach Angaben der Gesundheitsverwaltung gut 300 Vollzeitstellen für Hebammen. 25 davon sind nicht besetzt. Hinzu kommen 100 Beleghebammen, die nicht an den Kliniken angestellt sind, dort aber Mütter betreuen.
Laut Ehlert könnte sich die Lage aber in etwa zehn Jahren deutlich entspannen. Im Schnitt sind die Mütter derzeit bei der Geburt rund 31 Jahre alt. In zehn Jahren gebe es voraussichtlich nicht einmal halb so viele Frauen in diesem Alter und entsprechend weniger Babys, sagt Ehlert. Sollte es nicht noch einmal eine starke Zuwanderung geben. dpa
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