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Rechte Tories zürnen Theresa May
Großbritannien geht in Verhandlungen über Übergangsperiode nach dem Brexit auf die EU ein
Großbritannien und die EU haben sich auf die Rahmenbedingungen für eine 21-monatige Übergangszeit geeinigt. Diese soll nach dem formellen Brexit-Termin im kommenden März in Kraft treten. Doch die britischen Brexit-Unterstützer laufen Sturm. Denn London ist bei den zähen Verhandlungen in Brüssel in überraschend vielen Punkten eingeknickt. Bis zum Ende dieser Übergangszeit am 31. Dezember 2020 wird Vieles nach der Vorstellung der EU laufen.
Der wohl wichtigste Punkt, bei dem London nachgeben musste, betrifft Nordirland: Die Region untersteht der Kontrolle Großbritanniens, ist aber wirtschaftlich eng mit der Republik Irland verknüpft. Eine Rückzug Großbritanniens aus dem Europäischen Binnenmarkt und der Zollunion, wie Premierministerin Theresa May ihn anstrebt, würde im schlimmsten Fall dazu führen, dass es wieder eine harte Grenze zwischen beiden Landesteilen geben würde, mit Grenz- und Zollkontrollen. Erst kürzlich hat May einen Vorschlag der EU entschieden zurückgewiesen, demzufolge Nordirland in Zukunft weiter den Regeln des Binnenmarkts und der Zollunion folgen sollte, falls sich keine andere Lösung findet. Jetzt musste sich London zähneknirschend auf diese Option einlassen, die in Dublin bevorzugt wird.
Auch in Sachen Fischerei musste London nachgeben. Denn eigentlich wollte die britische Regierung direkt nach dem Brexit die Kontrolle über die britischen Fischereigründe übernehmen. Derzeit dürfen dort auch EU-Fangflotten fischen. Doch nun soll sich an der bisherigen Praxis bis zum Ende der geplanten Übergangszeit nichts ändern.
Eigentlich plante Brexit-Minister David Davis, eine zweijährige Übergangszeit auszuhandeln. Diese wird jetzt nur 21 Monate dauern. Auch der Zweck der Übergangszeit ist nun offenkundig ein anderer, als London ihn angestrebt hat: Denn in dieser Zeit werden nicht, wie geplant, die Feinheiten der zukünftigen Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU ausgearbeitet werden. Die Übergangszeit ist de facto eine Verlängerung der zweijährigen Verhandlungsperiode, die in einem Jahr endet.
Eine weitere bittere Pille für die Brexit-Hardliner: Großbritannien wird auch nach dem Ende der Übergangsperiode nicht »frei« sein von der EU. Das Abkommen für die Übergangszeit sieht Zahlungen in Höhe von 40 Milliarden Pfund (45 Milliarden Euro) vor, die London bis 2064 entrichten soll.
Während der gesamten Übergangszeit wird sich auch an den Rechten neu eintreffender EU-Bürger nichts ändern. Umgekehrt ist es bislang jedoch unklar, ob in der EU lebende Briten in dieser Zeit das Recht haben werden, von einem EU-Staat in einen anderen zu ziehen.
Noch steht das Abkommen nicht. Hierfür muss es noch unterzeichnet und ratifiziert werden. Doch schon jetzt gehen einige Brexit-Hardliner auf die Barrikaden. Der konservative Abgeordnete Jacob Rees-Mogg, der zum Sprecher der rund 60 EU-kritischen konservativen Abgeordneten im Unterhaus geworden ist, rief seine Parteichefin May dazu auf, mit der EU noch einmal über den Zugang für EU-Fischerboote zu britischen Gewässern zu verhandeln.
Der Tory-Abgeordnete und ehemalige Minister Iain Duncan Smith sagte der BBC, es gebe »Grund zu wirklicher Sorge«. Denn viele Abgeordnete seien derzeit sehr beunruhigt, weil sich in der Übergangszeit »nichts zu ändern scheint«.
Nigel Farage, der frühere Chef der rechtspopulistischen United Kingdom Independence Party (Ukip), schrieb auf Twitter eine Antwort auf den Umstand, dass die »Masseneinwanderung nach Großbritannien weiter anhalten« werde. May habe »die Menschen im Stich gelassen«, schrieb Farage. »Sie ist absolut nutzlos und muss gehen.«
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