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  • Datenmissbrauch bei Facebook

Chef von Cambridge Analytica suspendiert

Mitgeschnittene Aussagen werden Alexander Nix zum Verhängnis / Anleger reichen Klage gegen Facebook ein

  • Lesedauer: 4 Min.

London. Nach Enthüllungen über einen angeblichen gigantischen Datenmissbrauch bei Facebook hat die britische Firma Cambridge Analytica ihren Chef suspendiert während Aufsichtsbehörden und Anleger Facebook unter Druck setzen. Geschäftsführer Alexander Nix werde mit sofortiger Wirkung während einer »vollumfänglichen, unabhängigen Ermittlung« von seinen Aufgaben entbunden, teilte Cambridge Analytica am Dienstagabend mit. Heimlich von dem Sender Channel 4 mitgeschnittene Aussagen von Nix würden »nicht die Werte« des Unternehmens repräsentieren.

Man könnte auch mit Ex-Geheimdienstlern belastendes Material über Politiker für anschließende zielgerichtete Online-Beeinflussung recherchieren, erzählten Cambridge-Analytica-Mitarbeiter und Nix Undercover-Reportern der britischen »Channel 4 News«. Sie hatten demnach unter anderem damit geprahlt, Politiker mit sogenannten »honey traps« manipulieren zu können. Dies sollte vermeintlich mit dem Einsatz von Prostituierten oder vermeintlichen Großinvestoren, die vor versteckter Kamera »Angebote, die man nicht ablehnen kann«, geschehen.

Cambridge Analytica soll die für eine psychologisch »optimierte« beziehungsweise manipulierende Wähleransprache nötigen Facebook-Daten ohne Wissen der Facebook-Nutzer für den Wahlkampf des heutigen US-Präsidenten Donald Trump eingesetzt haben. Die »New York Times« und der »Observer« hatten am Wochenende berichtet, die Firma sei mittels einer von einem Psychologen entwickelten App in den Besitz von Facebook-Nutzerdaten gelangt.

Diese Daten habe die Firma dann für die Entwicklung einer Software benutzt, um die Charaktereigenschaften von Wählern vorherzusagen. Die Software erlaubte es, politische Anzeigen zu schalten, die auf einzelne Nutzer zugeschnitten wurden und damit besonders effektiv waren. Nach Medieninformationen sollen Profilinformationen von rund 50 Millionen Facebook-Mitgliedern zu Cambridge Analytica gelangt sein.

Die individuelle Ansprache von Wählern über die sozialen Netzwerke war als einer der Schlüssel für Trumps überraschenden Wahlsieg im November 2016 angesehen worden. Cambridge Analytica bestreitet, bei Facebook gesammelte Daten für die Trump-Kampagne verwendet zu haben.

Facebook hatte am Montag mitgeteilt, man habe eine »Digitale Forensikfirma« damit beauftragt die Server und Computer von Cambridge Analytica zu untersuchen, um zu klären, ob die Daten tatsächlich, wie von der Datenanalysefirma behauptet, gelöscht worden seien. Das von Facebook beauftragte Team der Firma Stroz Friedberg zog sich aber zurück, nachdem die britische Datenschutzbeauftragte sie darum gebeten hatte, weil die obersten Datenschützer Großbritanniens bei einem Gericht eine Durchsuchungsgenehmigung für die Cambridge-Analytica-Server und Computer beantragt haben.

Druck von Verbraucherschützern und Anlegern

Die US-Verbraucherschutzbehörde Federal Trade Commission leitete nach Informationen der »Washington Post« eine offizielle Untersuchung gegen Facebook ein. Das Unternehmen könnte demnach gegen eine Einigung mit der Behörde zum Schutz der Nutzer aus dem Jahr 2011 verstoßen haben.

Auch Investoren und Anwender erhöhen nun den Druck auf das größte Soziale Netzwerk der Welt. In San Francisco verklagten Aktionäre den Konzern. Facebook habe »sachlich falsche und irreführende Aussagen« zur Firmenpolitik gemacht, heißt es in der Klageschrift, die am Dienstag bei einem Bundesgericht in San Francisco eingereicht wurde, wie CNN und weitere US-Medien berichteten. Nutzer des Netzwerks verlangten in einer Petition der Mozilla-Stiftung, Facebook müsse mehr für den Schutz der Daten tun und seine Nutzer respektieren.

Facebook habe mitteilen müssen, dass es Dritten Zugriff auf Daten von Millionen Nutzern ohne deren Zustimmung gewährt habe, argumentieren die Kläger. Da das Unternehmen das nicht früher getan habe, hätten sie große Verluste erlitten. Seit Bekanntwerden der neuen Vorwürfe gegen Cambridge Analytica und Facebook war der Kurs der Facebook-Aktie eingebrochen. Sie sank von 185 Dollar um rund 20 Prozent auf einen Tiefpunkt von 162 Euro am Dienstagmittag, stieg anschließend aber wieder.

Wo ist Mark Zuckerberg?

Facebook sieht sich unterdessen selbst als Betrogenen. »Das gesamte Unternehmen ist entsetzt darüber, dass wir hintergangen wurden«, teilte das Unternehmen mit. Immer lauter werden nun die Rufe nach einer öffentlichen Erklärung von Facebook-Chef Mark Zuckerberg. Sie kommen aus dem US-amerikanischen Kongress, von britischen Abgeordneten und Europaparlamentariern. Doch Zuckerberg ist seit Wochen abgetaucht. Der sonst online sehr aktive Facebook-Chef postete zuletzt vor drei Wochen ein Bild auf seinem Facebook-Account – vom Backen mit seiner Frau. Agenturen/nd

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