Ruhe, bitte!
Personalie
Gegen die Großmannssucht in Berlin ist der berühmte Lokalpatriotismus im Rheinland der reinste Selbsthass. In allem will diese Stadt besser, härter, cooler sein. Sympathisch an dieser Selbstsicherheit ist freilich, dass sie nicht vor totalem Scheitern an allen Ecken und Enden schützt. Da brauchen noch nicht einmal die Reizbuchstaben B, E und R zu fallen. Sobald eine Schneeflocke vom Himmel herabschwebt, bricht der S-Bahn-Betrieb zusammen. Kaum wird im Nachtleben ein Underground-Hotspot ausgemacht, da hat sich der Ort auch schon zur Mainstreamkaschemme entwickelt, weil der marode Flughafen Tegel aus ganz Europa besoffene, aber suchmaschinenkundige Partytouristen herbeischafft. Berlin hat ein größeres Wirtschaftswachstum als die meisten anderen Bundesländer, schiebt allerdings zugleich mehr als 60 Milliarden Euro an Schulden vor sich her - das sieht die Schwarze-Null-Republik gar nicht gern.
Ein langfristiges Projekt, das in Berlin jetzt aus der Reihe zu tanzen droht, ist das Humboldt-Forum. Das Museumszentrum im rekonstruierten Berliner Schloss soll ab dem kommenden Jahr das kulturelle Aushängeschild Deutschlands in der Welt sein. Derzeit deutet alles darauf hin, dass dieser Termin tatsächlich zu halten ist. Die Gründungsintendanten Neil MacGregor, Hermann Parzinger und Horst Bredekamp haben das Vorhaben gegen jede Kritik verteidigt, der Ton aber blieb scharf.
Das soll Hartmut Dorgerloh bald ändern. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) hat angekündigt, dass der langjährige Generaldirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg im Jahr 2019 das Intendantenamt im Humboldt-Forum übernehmen wird. Der 55-Jährige, der als Sohn eines evangelischen Theologen in der DDR aufwuchs, versteht es laut Grütters, »anspruchsvolle Inhalte einem breiten Publikum zu vermitteln«. Der Deutsche Kulturrat hofft, dass Dorgerloh »Ruhe in die Debatte« bringt. Er sei ein »Kommunikator« und verfüge damit über Kompetenzen, die »bisher gefehlt haben«. Ob Berlin sie auch will, steht auf einem anderen Blatt.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.