Breites Bündnis für Sozialticket

Rheinland-Pfalz: Druck auf Landespolitik wächst

  • Peter Zschunke, Mainz
  • Lesedauer: 3 Min.

Wenn sich Hartz-IV-Bezieher keine Busfahrkarte mehr leisten können, müssen sie körperlich fit sein. »Meistens fahre ich mit dem Fahrrad, der Bus ist einfach zu teuer«, sagt Hans Röhrig aus Hemmelzen im Westerwald. Der 59-Jährige bezieht seit 2013 das Arbeitslosengeld II. Der Anlagentechniker wurde 2010 entlassen, seine Stelle wurde aus Kostengründen eingespart. »Danach hatte ich einen Burnout. Und wenn man in dieser Branche ein Jahr raus ist, hat man keine Chance mehr.«

»Weil ich die Hände nicht in den Schoß legen will, engagiere ich mich ehrenamtlich im Mehrgenerationenhaus in Altenkirchen«, sagt Röhrig. Im Regelbedarf der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sind in der Stufe 1 für den Öffentlichen Personennahverkehr 26,87 Euro im Monat vorgesehen, in anderen Stufen ist der Satz noch niedriger. Röhrig kann damit vier Mal im Monat in die sieben Kilometer entfernte Kreisstadt Altenkirchen fahren.

Für Arztbesuche muss Röhrig nach Betzdorf, das ist mit dem Fahrrad zu weit. »Da sind nur in eine Richtung zehn Euro weg. Wenn ich wieder zurückfahre, ist das Budget fast aufgebraucht. Das Geld für den ÖPNV ist bei Hartz IV äußerst knapp bemessen.« Wenn er mehr für Tickets ausgebe, fehle das dann an anderer Stelle beim Monatsbudget von 416 Euro.

So engagiert sich Röhrig im Bündnis für ein Sozialticket in Rheinland-Pfalz. Zwölf Verbände und Organisationen haben sich im Oktober vergangenen Jahres dazu zusammengeschlossen, darunter der DGB, der Kinderschutzbund, der Naturschutzverband Bund, die Landesarbeitsgemeinschaft Selbst- hilfe Behinderter, die Liga der freien Wohlfahrtspflege und die Mainzer Initiative gegen Hartz IV. Dieses Bündnis »Mobilität für alle!« will nun mit einem Fünf-Punkte-Papier die Umsetzung eines Sozialtickets vorantreiben.

Einige Städte und Verkehrsverbünde haben bereits ein Sozialticket eingeführt. Diese Angebote sind aber aus Sicht der Initiative zu teuer - und sie gelten auch nicht verbundübergreifend für das ganze Bundesland. In Mainz kostet das Sozialticket fast 60 Euro, mehr als doppelt so viel wie das Hartz-IV-Budget für den ÖPNV. Anstoß für das Bündnis gab der Sozialverband VdK. »Wir haben beobachtet, dass ältere Leute nicht mehr zu Veranstaltungen kommen konnten, weil ihnen das Geld fehlte«, sagt der Landesvorsitzende Willi Jäger. »Und Langzeitarbeitslose klagten, dass sie kein Geld haben, um zur Beratung in die Geschäftsstelle zu kommen. Da haben wir gesagt: Wir müssen was tun.«

Ziel der Initiative ist ein landesweites Sozialticket, das nicht mehr kostet als den Hartz-IV-Satz für den ÖPNV. Und das Sozialticket müsse bundesweit gelten - um etwa die Arbeitssuche über die Grenzen eines Verkehrsverbunds hinaus zu ermöglichen.

Röhrig hofft auf Unterstützung bei den Verkehrsunternehmen. »Bei uns fahren die Busse oft nur mit zwei oder drei Leuten. Wenn da einige Sozialhilfeempfänger mehr drin sind, verursacht das keine Mehrkosten.« Und in größeren Städten könnte die Nutzung ja auf die Zeit ab neun Uhr begrenzt werden. Nach VdK-Angaben wären in Rheinland-Pfalz rund 300 000 Menschen für ein Sozialticket berechtigt. Jetzt hofft das Bündnis auf eine breite Unterstützung in der Landespolitik. dpa/nd

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