- Brandenburg
- Weniger rechte Gewalttaten in Brandenburg
Harte Urteile zeigen Wirkung
Die Zahl der rechten Gewalttaten und der Übergriffe auf Asylheime ist deutlich gesunken
Es geschah bei einer Kundgebung des asylfeindlichen Vereins »Zukunft Heimat« in Cottbus. Ein Teilnehmer hob einen Stein auf und schleuderte ihn in Richtung der Gegendemonstranten. Als die Polizei deswegen seine Personalien aufnahm, machte er abfällige Bemerkungen über Linke. Der Fall, den Polizeipräsident Hans-Jürgen Mörke am Freitag schildert, ging ein in die Statistik der politisch motivierten Kriminalität. 2250 politisch motivierte Delikte sind im vergangenen Jahr im Land Brandenburg registriert worden. Das sind vier Prozent mehr als im Jahr zuvor. Die Aufklärungsquote lag 2017 bei bescheidenen 54,3 Prozent und damit knapp sechs Prozent niedriger als 2016.
Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) erklärt sich das alles mit dem Bundestagswahlkampf. Es hat vor dem Wahltermin im September 413 Diebstähle und Beschädigungen von Wahlplakaten gegeben. »Es ist schwer, Täter zu fassen, die zumeist bei Nacht und Nebel Plakate demolieren und entwenden«, bedauert Schröter. Nur in knapp 22 Prozent der Fälle konnten die Täter dingfest gemacht werden. Das drückte die Aufklärungsquote insgesamt.
- Von 124 rechten Gewalttaten waren 104 fremdenfeindlich und zwölf Taten richteten sich gegen Linke.
- Ein Schwerpunkt rechter Delikte war die Gegend Cottbus und Spree-Neiße mit 222 derartigen Straftaten, darunter 23 Gewalttaten.
- Links motivierte Delikte häuften sich in Potsdam und im Havelland.
- Auf Wahlkreisbüros und Parteigeschäftsstellen wurden 26 Anschläge verübt. 13 mal traf es die AfD, sieben mal die LINKE, je zwei mal SPD, CDU und Grüne. af
Von den 2250 politisch motivierten Straftaten gingen 1490 auf das Konto der rechten Szene. Das waren rund elf Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Mitgezählt sind 904 Propagandadelikte wie »Sieg Heil« brüllen oder den Hitlergruß zeigen. Auf der anderen Seite stieg die Zahl der linken Delikte um stolze 48 Prozent. Allerdings gab es eine relativ niedrige Ausgangsbasis, von der es jetzt auf 361 Fälle hinaufging. Innenminister Schröter erklärt den statistischen Effekt an einem Beispiel: »Berlin hat die Zahl seiner Windräder verdreifacht. Es hat zwei dazugebaut.« Umgekehrt gibt es bei den linken Gewaltdelikten ein erstaunliches Absinken um fast 55 Prozent. Es sind aber insgesamt nur 24 derartige Delikte von der Polizei festgestellt worden, darunter am 18. August ein Brandanschlag auf einen Kabelschacht an der Bahnstrecke bei Brieselang, von unbekannten Tätern vermutlich verübt, um die Anreise von Neonazis zu einem NPD-Aufmarsch in Spandau zu behindern.
Einen prozentual beachtlichen Anstieg, aber von einem niedrigen Niveau aus, hat es auch bei der Ausländerkriminalität gegeben. Die Fallzahl kletterte von 32 auf 51. Unter die politische Ausländerkriminalität fallen die Straftaten religiöser Fanatiker genauso wie die der Anhänger ausländischer Bewegungen wie der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans, der PKK. Polizeipräsident Mörke nennt ein Beispiel für Ausländerkriminalität: Eine muslimische Frau wird im Asylheim von Landleuten attackiert, weil sie kein Kopftuch trägt.
Glücklicherweise deutlich zurückgegangen ist die Zahl der rechten Gewaltakte – von 167 auf 124. »Das halte ich für einen erfreulichen Befund. Gleichwohl ist jede rechte Gewalttat eine zu viel«, kommentiert der Innenminister. Übergriffe auf Asylheime hat es 2017 nur noch 19 gegeben, nach 72 im Jahr 2016. »Wir bewegen uns in etwa wieder auf dem Niveau des Jahres 2014«, sagt Schröter. Die Entwicklung in den Jahren 2015 und 2016 sei besorgniserregend und dramatisch gewesen. Doch dem sei man »offenbar erfolgreich entgegengetreten mit allen Möglichkeiten, über die Polizei, Justiz, Politik und Zivilgesellschaft verfügen«. Der Minister ist überzeugt, dass die hohen Haftstrafen für die Männer, die im August 2015 eine Turnhalle in Nauen abfackelten, kurz bevor dort provisorisch Flüchtlinge untergebracht werden konnten, eine abschreckende Wirkung hatten. »Ich fand es richtig«, bekennt der Innenminister, »dass die Justiz hier mit aller Härte des Gesetzes gezeigt hat, dass Brandanschläge auf Asylunterkünfte, ob schon belegt oder nicht, kein Kavaliersdelikt sind.«
Beängstigend klingen die 20 Fälle von Terrorismus. Doch Landeskriminalamtsdirektor Dirk Volkland kann beruhigen. Zu einem Anschlag in Brandenburg ist es nicht gekommen und 18 der 20 Fälle sind für das Land völlig harmlos gewesen. Es waren Fälle wie dieser: Ein afghanischer Asylbewerber berichtet bei seiner Ankunft in Brandenburg, er sei in der Heimat von den Taliban in ein Ausbildungslager gepresst worden und habe dort ein Fahrzeug steuern müssen. Das findet dann als Terrorismusfall Eingang in die Statistik.
349 Straftaten konnten zwar als politisch eingestuft, jedoch nicht einem Lager zugeordnet werden. Wenn in einer Straße von Unbekannten Wahlplakate von AfD, LINKE, SPD und CDU heruntergerissen werden, dann vermag die Polizei dies nicht in das Schema links oder rechts einzuordnen.
Als Reichsbürger, die die Bundesrepublik nicht anerkennen, werden mittlerweile 588 Brandenburger angesehen. Vor zwei Jahren wusste das Polizeipräsidium erst von 400 Reichsbürgern, glaubt nun aber, der tatsächlichen Zahl sehr nahe zu sein, da Behörden inzwischen sensibilisiert sind und auch schon Leute melden, die als Reichsbürger auffallen, wenngleich sie noch nicht mit Urkundenfälschungen, Beleidigungen und Bedrohungen hervorgetreten sind. 25 Reichsbürger haben als Jäger oder Sportschützen zusammen 39 Waffenscheine für Gewehre oder Pistolen gehabt. 26 Waffenscheine seien bereits entzogen und die Waffen beschlagnahmt, berichtet Polizeipräsident Mörke. In den anderen Fällen laufen die Verfahren zum Entzug der Waffenscheine noch.
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