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Und dann leuchtet die Welt

In der Münchner Pinakothek der Moderne sind Werke der Maler Fritz Winter und Paul Klee zu sehen

  • Anita Wünschmann
  • Lesedauer: 5 Min.

München dürfte zum Wallfahrtsort in diesem Frühling werden. Nach der exorbitanten und einmaligen Retrospektive Gabriele Münther im Lenbachhaus (noch bis zum 8. April) wird weiter mit dem Pfund der Moderne gewuchert. Ein Jahr vor dem Bauhaus-Gründungsjubiläum 2019 hat die Pinakothek der Moderne weltweit Sammler und Museen eingeladen, ihre »Klees« für die einzigartige Werkschau »Konstruktion eines Geheimnisses« mit 150 Bildern zur Verfügung zu stellen. Und was da zusammengetragen wurde neben dem eigenen Bestand der Bayrischen Staatsgemäldesammlung! 130 Arbeiten kommen aus dem Museum of Modern Art in New York, dem Centre Pompidou in Paris oder dem Kunstmuseum Basel und ermöglichen ein tiefes Eintauchen in den Bildkosmos des eigenwilligen Künstlers, der in den 20er Jahren am Dessauer Bauhaus als Meister gelehrt hat.

Zugleich wurde ein Kabinett mit 16 kleinformatigen Mischtechniken, Malerei und Tuschzeichnungen aus dem Frühwerk des Künstlers Fritz Winter (1905 - 1976) eingerichtet. Der Künstler studierte von 1927 bis 1930 am Dessauer Bauhaus und gründete 1949 mit Willi Baumeister die »Gruppe der Gegenstandslosen«. Er gilt als einer der wichtigen deutschen abstrakten Maler, dessen Nachlass der Bayrischen Staatsgemäldesammlung übereignet ist. Beider Schaffen galt den Nazis wie das aller Bauhauskünstler als »entartet«.

In der Pinakothek wird eine erstaunliche Spannung erzeugt: das Kabinett in erdigen Nuancen und Klees Leuchten. Die durch Kriegserleben geprägten Winter-Arbeiten aus der Reihe »Die Triebkräfte der Erde« sind in »innerer Emigration« 1944 entstanden und zeigen sich in dunklen Tönen. Mal glimmt ein Rot, mal leuchtet schwaches Gelb. Schwarz dominiert in den verwüsteten Landschaften und erschütterten Seelenräumen.

Nur wenig Licht, vom Künstler des Lichts - wenngleich ein immerwährendes Wachsen in der kleinformatigen, titelgebenden Bildserie ein Übereinander der schwellenden Formen Hoffnung und Erstaunen vermittelt. Da mal ein fahler Mond, dort ein Kontrapunkt. Die Erlebnisse an der Front wurden in den berührenden, ganz und gar nicht imposanten Blättern wie im Selbstgespräch herausgemalt.

Und dann leuchtet bei Klee die Welt blaurot, violett, rosagelb, im ganzen Spektrum des gebrochenen Lichts. Beide, das intime Winter-Kabinett mit seinem Schmerzensbildern und dem bildgewordenen Trost, und der in Geometrien gefasste Lichtraum von Paul Klee, erzeugen eine intensive geistige Atmosphäre, zumal auch bei Klee das Dunkle, Mystische, die Zerreißproben des Daseins unmittelbar Ausdruck gefunden haben.

Hier im »nördlichsten Süden« mussten die Künstler, so scheint es und so taten sie es auch, nur die Farben einsammeln, die im Wettbewerb mit der Natur in jedes Dorf gestreut sind, in jede Kapelle und als Lüftlmalerei sogar an die Häuser.

Und selbst die Leitern und Türme, die dem nach Ausdruck und Abstraktion suchenden Paul Klee (1897 - 1940) als Repertoire, besser Spielmittel, seiner Formentwicklungen dienten, waren nicht nur als Symbolfiguren aus wichtigen Schriften entlehnt, sondern ebenso wie die Tännchen und Karussells unmittelbar greifbar. Zum Klee-Code gehören dazu universelle Zeichen, seien es Pfeile, Pyramiden, Kreuze, Sonnen, Halbmond und Davidstern. Etliche seiner Bilder erinnern mit ihren Umzackungen an Buchmalereien.

Auf Reisen nach Tunesien (»Hier wurde ich zum Maler!«), Paris und Berlin suchte Klee nach Essenz, nach universellem Ausdruck, nach Gültigkeit im aufberstenden 20. Jahrhundert. »Kunst ist nicht Abbild, sondern Sichtbarmachen!«, so sagt es der Künstler, der Intuition und Emotion in die Waagschale wirft und auszubalancieren sucht.

Mit neun thematischen Sälen widmet sich die Ausstellung dem unverwechselbaren Klee-Universum. Die Kuratoren arrangierten nicht allein einen Rundgang durch die Zeit von ersten Selbstbefragungen als melancholisch sinnender Künstler (»Denkender«, 1911) bis zu Blättern wie »Das Tor zur Tiefe« von 1936, in denen Klee ganz offensichtlich mehr als ein persönliches Todesahnen thematisiert, sondern vielmehr ein Essay über die Kunst seines Beharrens bei gleichzeitiger Öffnung gegenüber jenen neuen Ideen, mit denen sich die Bauhauskünstler zumindest in ihrer früheren Phase unter Walter Gropius auseinandersetzten.

Der Begriff »Konstruktion«, der gerade auch in den mittels delikater Farbgebung und Lineatur sublimierten Ausstellungsräumen sinnfällig wird, lässt keine Sekunde vergessen, worum es ging: nicht die Wirklichkeit hinnehmen, sondern alle intellektuellen Kräfte anspannen, um ein neues Sehen für ein neues Lebensmodell zu schaffen. Daraus wurde der Weg in eine, man könnte sagen, eminent ästhetische Utopie, die trotz der massiven Anfeindungen, auch trotz ihrer eigenen Absolutheiten und dank der offenen Fragen bezüglich der sozialen Ausrichtung, bis in die Gegenwart ausstrahlt.

Die Ästhetik als Modelldenken einer gesellschaftlichen Erneuerung. Aber was kann die Malerei dabei tun? »Die Konstruktion des Geheimnisses«, lautet ursprünglich der Titel einer Positionierung Paul Klees, mit der er sich für die Balance von Spiel und Emotion, von Vernunft und Konstruktion ausspricht. Ein Dokument, das sein Rücktrittsersuchen 1931 aus dem Bauhaus unter der späteren Leitung von Hannes Meyer programmatisch vorwegnimmt.

Nicht dem deutlich politisch links positionierten Hannes Meyer galt der Widerspruch, vielmehr dem Rationalisten. Klees bildnerische Position mag in der aktuellen Bauhaus-Rezeption, welche die Vielfalt der Positionen in Augenschein nimmt, für eine große Spannweite des Denkraumes stehen, für eine säkulare Mystik, ja das menschliche Maß, das sich so einfach nicht ausmessen lässt. Man fühlt sich an Heinrich Heine erinnert.

Das breite Spektrum, das hier von seinem fulminanten Werk ausgewählt wurde, mag auf diese Weise dem heutigen Kunstleben frischen Nährstoff geben. Dies vor allem mit dem Genuss an der märchenhaften Schönheit des Einzelbildes, das mit »eingebauten Wegen« das Auge des Betrachters zwischen Irdischem und Kosmischen, zwischen Erde und Himmel, Geist und Körper mäandern lässt. Abgründe, Tod und Sehnsucht sind mal verstrickt, mal kartografiert. Etwa in den Vollmondblättern aus verschiedenen Jahren, denen ein ganzer Raum gewidmet ist, oder in seinen kristallinen Stadtvisionen.

Ohne Schönheit habe das Leben keinen Zweck, so der Maler. Er lässt Schönheit aus Punkt, Linie, Dreieck, den nuancenreichen Farbquadraten und feinen Gespinsten bis hin zu reduzieren Raumkonstruktionen aufleuchten.

»Paul Klee. Konstruktion des Geheimnisses« und »Fritz Winter«, bis zum 10. Juni in der Pinakothek der Moderne, München

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