- Politik
- Kataloniens Ex-Regionalpräsident
Berlin legt kein Veto gegen Auslieferung Puigdemonts ein
Bundesregierung lehnt Forderung des katalanischen Ex-Regionalpräsidenten ab / Strafrechtler zweifeln an belastbaren Gründen für Überstellung an Spanien
Berlin. Im Fall des in Deutschland verhafteten katalanischen Ex-Regionalpräsidenten Carles Puigdemont will die Bundesregierung einem Bericht zufolge kein Veto gegen eine mögliche Auslieferung nach Spanien einlegen. Ein solcher Schritt würde im Kanzleramt als rechtspolitischer Affront gegen die Bundesländer gesehen, berichtete der »Spiegel« am Freitag. Die Entscheidung über das weitere Schicksal Puigdemonts wird nach Ostern erwartet.
Der katalanische Ex-Regionalpräsident war am Sonntag aufgrund eines von Spanien ausgestellten Europäischen Haftbefehls bei der Durchreise durch Schleswig-Holstein festgenommen worden. Noch am Abend telefonierten dem »Spiegel«-Bericht zufolge Bundesjustizministerin Katarina Barley, Außenminister Heiko Maas (beide SPD), Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) und Innen-Staatssekretär Hans-Georg Engelke, um über den Fall zu beraten. Die Runde sei sich einig gewesen, dass es keine politische Einmischung geben dürfe.
Die Festnahme von Puigdemont steht im Zusammenhang mit dem Konflikt um Kataloniens Abspaltung von Spanien, der nach einer Volksabstimmung und der einseitigen Verkündung der Unabhängigkeit durch die Region im Oktober eskaliert war. Puigdemont wurde damals als Regionalpräsident abgesetzt und floh ins belgische Exil, um seiner Festnahme zu entgehen.
Am Freitag der vergangenen Woche reaktivierte das Oberste Gericht in Madrid dann einen Europäischen Haftbefehl gegen Puigdemont, der sich zu diesem Zeitpunkt zu einem Besuch in Finnland aufhielt. Auf der Rückreise in Richtung Belgien wurde er am Sonntag kurz nach dem Grenzübertritt aus Dänemark von der deutschen Polizei an einer Autobahnraststätte festgenommen.
Der 19-seitige Europäische Haftbefehl gegen Puigdemont listet dem »Spiegel«-Bericht zufolge unter anderem Gewaltakte gegen Polizisten im Vorfeld und am Tag des Referendums in Katalonien auf. Polizeiwagen seien umringt, Beamte an Durchsuchungen und Festnahmen gehindert worden. Mehrere Polizisten seien dabei verletzt worden. Allerdings hat Puigdemont laut dem Dokument mit den gewalttätigen Ausschreitungen lediglich gerechnet, aber nicht dazu aufgefordert, wie das Magazin aus dem ihm vorliegenden Haftbefehl berichtet.
Die Möglichkeit einer Auslieferung des Katalanen an Spanien ist umstritten. »Es ist offensichtlich, dass das keinen deutschen Straftatbestand erfüllt«, sagte der Karlsruher Strafverteidiger Michael Rosenthal dem »Spiegel«. Der ehemalige Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof, Thomas Fischer, sagte: »Es liegt nicht nahe, dass Herr Puigdemont den Vorsatz hatte, mit Mitteln der Gewalt Spanien zu destabilisieren.«
Die Anwälte Puigdemonts hatten die Bundesregierung aufgefordert, »von ihrer im Gesetz ausdrücklich vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch zu machen, die Auslieferung nicht zu bewilligen«. Doch die Bundesregierung will in die Entscheidung dem Bericht zufolge nicht eingreifen, da der Bund den Ländern das Bewilligungsverfahren in Auslieferungsfällen übertragen habe.
Über die Beantragung eines Auslieferungshaftbefehls für Puigdemont will die schleswig-holsteinische Generalstaatsanwaltschaft nach Angaben einer Sprecherin vom Donnerstag nach Ostern entscheiden. Über diesen müsste dann das schleswig-holsteinische Oberlandesgericht befinden. Der Politiker befindet sich derzeit auf Anordnung des zuständigen Amtsgerichts in vorläufigem Festhaltegewahrsam in der Justizvollzugsanstalt in Neumünster. AFP/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.