SPD-Minister halten an Hartz IV fest

Scholz und Heil wollen Sanktionen nicht streichen

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Berlin. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will bis zum Sommer das Gesetz für einen »sozialen Arbeitsmarkt« vorlegen, von dem 150 000 Langzeitarbeitslose profitieren sollen. Dabei geht es um Lohnkostenzuschüsse für Beschäftigung in Unternehmen, Kommunen oder Wohlfahrtsverbänden. Das Förderprogramm soll vier Milliarden Euro umfassen. Die Lohnkostenzuschüsse sollen über einen Zeitraum von fünf Jahren gewährt werden, dabei allerdings allmählich abschmelzen. Damit solle verhindert werden, dass es zu einer verfestigten Subventionierung kommt. Konkret plant Heil eine Neuregelung im Sozialgesetzbuch II, mit der die bislang im Rahmen von Modellprojekten mögliche Förderung von Langzeitarbeitslosen zur Regelleistung werden soll. Der soziale Arbeitsmarkt »kann Türen für den Arbeitsmarkt öffnen und Wege aus der Grundsicherung ebnen«, sagte der Minister am Donnerstag.

Der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, unterstützte die Idee. Allerdings dürften die befristeten staatlich subventionierten Jobs nur denen angeboten werden, »die es sehr schwer auf dem normalen Arbeitsmarkt haben«, sagte Scheele dem »Spiegel«. »Das sind unseren Forschern zufolge bis zu 200 000 Personen.«

Auch der Paritätische Wohlfahrtsverband begrüßte das Vorhaben. »Wir haben Hunderttausende langzeitarbeitslose Menschen, die kaum noch auf den ersten Arbeitsmarkt vermittelbar sind«, erklärte der Verbandshauptgeschäftsführer Ulrich Schneider. »Es ist höchste Zeit, dass Politik auch für diese Menschen Perspektiven schafft.«

Mit Blick auf Forderungen aus seiner Partei nach einer Abschaffung des bisherigen Hartz-IV-Systems sagte Heil, die sozialen Sicherungssysteme sollten neu ausgerichtet und weiter entwickelt werden. Bei den Sanktionen für Hartz-IV-Betroffene könne es an der einen oder anderen Stelle Änderungen geben. Es solle aber bei den Mitwirkungspflichten der Leistungsempfänger bleiben. Auch eine Anhebung der Hartz-IV-Regelsätze wird es mit Heil nicht geben. Hartz-IV-Bezieher können mit Sanktionen belegt werden, wenn sie etwa eine Bewerbungsmöglichkeit nicht wahrnehmen. Die Sanktionen werden aber oft willkürlich verhängt. Fast 40 Prozent der Klagen gegen sie sind erfolgreich. Politiker der Linkspartei halten die Maßnahmen grundsätzlich für verfassungswidrig.

Der kommissarische SPD-Chef und Finanzminister Olaf Scholz lehnte eine Abschaffung von Hartz IV ab. Für die SPD bleibe es »beim Kernprinzip dieser Arbeitsmarktreform«, sagte Scholz den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Linke SPD-Politiker reagierten empört. Scholz sei gut beraten, die Diskussion nicht abzuwürgen, sondern laufen zu lassen, sagte der Berliner SPD-Fraktionschef Raed Saleh der dpa. Saleh wies darauf hin, dass »das Hartz-IV-System für die SPD ein wunder Punkt« bleibe. In der Partei gebe es eine Sehnsucht, über die Änderung oder Abschaffung des Systems zu diskutieren. Es dürfe dabei keine Denkverbote geben.

Auslöse der Debatte war Berlins Regierungschef Michael Müller (SPD). Er schlug ein »solidarisches Grundeinkommen« von 1200 Euro im Monat für alle vor, die zu einer gemeinnützigen, sozialversicherungspflichtigen Arbeit bereit sind. Agenturen/nd

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