Der tiefe Fall der SP

Niederlande: Bei den Kommunalwahlen verlor die Linkspartei zum Teil dramatisch

  • May Naomi Blank, Nijmegen
  • Lesedauer: 3 Min.
Sie war eine der Begründerinnen der Modernen Linken in Europa - die Sozialistische Partei der Niederlande, kurz SP. Noch vor dem Fall der Berliner Mauer erfand sie sich neu und profilierte sich mit konkreten Kampagnen vor Ort statt mit Klassenkampfrhetorik. Damit wurde sie für viele linke Parteien in Europa zum Vorbild. Jetzt verlor die SP stark bei den Kommunalwahlen.

Als die Wahlergebnisse bekannt wurden, jubelten die Grünen und die Christkonservativen. Bei vielen Ortsverbänden der SP dagegen herrschte niedergeschlagene Stimmung. In Rotterdam, Utrecht und Enschede verloren die Sozialisten 30 bis 50 Prozent ihrer Wähler aus dem Jahr 2014. In Amsterdam mussten drei von sechs Stadträten ihr Amt aufgeben. Ein herber Verlust. Bei den letzten Kommunalwahlen stellte die SP noch 440 Stadt- und Gemeinderäte im Land und erhielt durchschnittlich 6,6 Prozent der Stimmen. Zum Vergleich: Die Partei, die am besten abschnitt, die christliche CDA, erzielte 14,4 Prozent. Doch der Stimmgewinn der SP aus dem Jahr 2014 ist nun verpufft.

Wie kann man den Verlust erklären? Regirla Spoor kandidierte in Amsterdam für den Gemeinderat. Ihre Theorie: Die SP hätte ihre Kampagne offensiver führen sollen, besonders zu den Themen soziale Ungerechtigkeit und Rassismus. »Das spricht die Amsterdamer Wähler an, denn die Stadt ist multikulturell, 160 Nationalitäten leben hier.« Seit Lilian Marijnissen im Dezember das Amt der Parteivorsitzenden übernahm, veränderte sich aber die Haltung der SP zum Thema Flüchtlinge. In einer Radiosendung sagte die 32-Jährige, Trumps Rhetorik sei »erfrischend«.

Seit Januar plädiert die Partei für Flüchtlingsauffangzentren vor den Außengrenzen Europas. Im Kommunalwahlkampf, wie auch bei den nationalen Wahlen im März 2017, wurde das Thema von der SP kaum angesprochen. Die Partei Groenlinks, die eine liberalere Flüchtlingspolitik fordert, profitierte wiederum.

Ein weiteres Problem für die SP ist die Anbindung zwischen Basis und Parteispitze. Erst kürzlich gab es in Amsterdam eine parteiinterne Debatte, da der Ortsverband sich nicht an einer Antirassismus-Demonstration beteiligen wollte, obwohl die Parteimitglieder sich mit großer Mehrheit dafür entschieden hatten. »Die Politiker in der Bundespolitik können nur dann sichtbarer werden, wenn sie aktiv Kontakt mit den Mitgliedern aufbauen und sie stärker in Richtungsentscheidungen einbeziehen«, kommentiert Spoor. Immer wieder gibt es Debatten um die Parteidemokratie.

Im Ostgroninger Pekela wurde die SP trotz dieser Probleme stärkste Kraft. Was lief hier anders als im Rest des Landes? Der dortige Parteivorsitzende Henk Hensen erzählt über die Strategie des erfolgreichen Ortsverbandes. »Bei den Parlamentswahlen 2017 wurde die rechtspopulistische PVV größte Partei in Pekela und die SP zweitgrößte Kraft. Seitdem sind wir jede Woche in die Wohnviertel gegangen und haben mit den Leuten geredet«. Die wichtigsten Themen waren Arbeitslosigkeit und Asyl.

Pekela hatte früher eine Schiffswerft und elf Kartonfabriken. »Ich komme selbst aus dem Karton«, erzählt Hensen. »Du musst direkt mit den Leuten reden.« Pekela hat 12 500 Einwohner. Bis vor kurzem lag in dem Städtchen ein Asylzentrum mit 600 Geflüchteten. Als die Stimmung in der Stadt zu kippen drohte, organisierte die SP eine Konferenz und ließ Personen sprechen, die selbst ein Asylverfahren durchlaufen hatten. Mit Erfolg: Bei den Kommunalwahlen wurde die SP zur stärksten Partei. Die PVV landete auf Platz vier.

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