Feuer an der Rotlichtfront

Sexvorwürfe bringen Donald Trump juristisch wie politisch in Bedrängnis

  • Reiner Oschmann
  • Lesedauer: 3 Min.
US-Präsident Donald Trump ist ein begnadeter Angreifer. Wann immer unter Druck, bläst er zum Angriff. Nach 62 Wochen im Weißen Haus ist allein die Liste derer, die er via Twitter beleidigte oder beschuldigte, kaum noch zu übersehen. Umso interessanter, dass er zwei Personen, die fast täglich in Verbindung mit ihm durch die Nachrichten gehen, bisher kein einziges Mal angegriffen hat: den russischen Präsidenten Putin und die US-Pornofilmdarstellerin Stephanie Clifford, öffentlich bekannt unter dem Künstlernamen Stormy Daniels.

Während die »New York Times« wegen der Ermittlungen Robert Muellers zu etwaiger russischer Einmischung in die US-Wahl in einem Leitartikel schrieb: »Nicht ein einziges schlechtes Wort findet der Präsident für Wladimir Putin«, bleibt auch Stormy Daniels von jeglichem Twitter-Angriff verschont. Das erstaunt, nachdem sie mit immer neuen Vorwürfen über eine Sexbeziehung mit Trump im Jahre 2006 an die Öffentlichkeit geht und den heutigen Präsidenten juristisch wie politisch bedrängt.

Im Kern behauptet Daniels, mit Trump Sex gehabt und von ihm - kurz vor seiner Wahl - eine Schweigevereinbarung über 130 000 Dollar angeboten bekommen zu haben. Da Trump diese bisher weder unterschrieben noch gezahlt habe, reichte Daniels neulich in Los Angeles Klage mit dem Antrag ans Gericht ein, die Vereinbarung für ungültig zu erklären. Seitdem haben Daniels und ihr Anwalt mit weiteren Details den Druck auf Trump erhöht. Der Anwalt kündigte die Übergabe eines Datenträgers an, der die Affäre beweisen werde. Im CBS-Programm »60 Minutes« hob Daniels am Sonntag vor Ostern den Streit auf eine neue Ebene. Ihr sei Gewalt angedroht worden, als sie erstmals versuchte, das einstige Verhältnis öffentlich zu machen. Der Zwischenfall habe sich 2011 in Las Vegas ereignet, als sie mit ihrer Tochter unterwegs war. »Ein Mann trat heran und sagte: ›Lass Trump in Ruhe!‹« Dann habe er sich »zu uns gebeugt, meine Tochter angesehen und gesagt: ›So ein hübsches kleines Mädchen. Es wäre ein Jammer, wenn seiner Mutter etwas zustieße.‹«

Ein Regierungssprecher wies die Daniels-Behauptung zurück. Doch die Affäre beruhigt sich nicht. Im Gegenteil: Eine zweite Frau, das frühere »Playboy«-Modell Karen McDougal, zieht in New York vor Gericht, um eine Maulkorbvereinbarung wie bei Daniels für ungültig erklären zu lassen. McDougal behaupte ebenfalls, »fast ein Jahr lang« 2006/07 eine Affäre mit Trump gehabt zu haben. Mit der Zusage von 150 000 Dollar habe man sie zum Schweigen bewegen wollen. Abgesehen davon, dass niemand glaubt, dass Trumps Anwälte 130 000 (Daniels) bzw. 150 000 Dollar (McDougal) angeboten haben könnten, nur um frei erfundene Behauptungen auszuräumen, erhalten die Vorwürfe jetzt aus anderer Richtung weitere Brisanz: Richterin Jennifer Schecter am New York Supreme Court, dem höchstem Gericht des Bundesstaats, hieß eine Klage gegen Trump wegen übler Nachrede mit einer Begründung gut, die den Präsidenten alarmieren muss. Summer Zervos, einstige Darstellerin in Trumps Fernsehshow »The Apprentice«, warf dem heutigen Präsidenten vor, sie in zwei Fällen sexuell belästigt zu haben.

Trump wies das zurück und beschuldigte Zervos übler Nachrede. Die blieb standfest und verklagte ihn wegen Verleumdung. Trumps Anwälte versuchten, die Klage u.a. damit zu beseitigen, ihr Mandant genieße Immunität. Richterin Schecter parierte: »Niemand steht über dem Gesetz.« Sie zitierte ein Urteil des Obersten Gerichts der USA von 1997, wonach auch der Präsident in Zivilangelegenheiten beklagt werden kann, sofern Vorwürfe die Zeit vor dem Amtsantritt und nicht die jetzige Amtsausübung betreffen. Wie bei Daniels und McDougal ist der Ausgang auch hier offen. Doch Trumps Versuche, den Angriffen mit Drohungen zu begegnen, treffen auf Widerstand, gespeist vom Selbstbewusstsein der MeToo-Debatte. Die Kongressabgeordnete der Demokraten Maxine Waters ging im Fernsehsender MSNBC noch einen Schritt weiter: »Wenn Sonderermittler Mueller Präsident Trump nicht stellt, wird’s Stormy Daniels tun ...«

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