Eine wie die anderen

Im Kino: »Das Mädchen aus dem Norden«

  • Caroline M. Buck
  • Lesedauer: 3 Min.

Was im Schweden der Gegenwart beginnt, mit dem Begräbnis einer von zwei samischen Schwestern, führt für die andere der beiden zurück in die Vergangenheit. Im Lappland der 1930er Jahre helfen die Mädchen beim Hüten der Rentiere und träumen von der weiten Welt. Neben den Mandelaugen unterscheidet vor allem die attraktive Tracht sie von den Mädchen außerhalb ihrer Gemeinde. Die Hymnen des Landes, die Sprache der Schweden sollen die Kinder lernen, als gleichberechtigte Bürger akzeptiert sind sie deshalb noch lange nicht.

Eingesperrt in Klassifizierungen, die andere erdachten, in Internate gesteckt, die nur für ihresgleichen eingerichtet wurden, festgelegt auf die traditionellen Lebensentscheidungen ihrer Vorfahren, werden die Sámi-Kinder in der Schule von zugereisten »Wissenschaftlern« vermessen, die so sicher von einer physiognomisch nachweisbaren Minderbefähigung ausgehen, dass die verehrte Lehrerin, eine Blondine aus dem südlichen Småland, ihr Tun als selbstverständlich hinnimmt. Die Mädchen müssen sich nackt von männlichen Fotografen ablichten lassen - vor den Augen der männlichen Dorfjugend an den Fenstern. Kurz danach folgt dem einen Übergriff der nächste, und Elle Marja wird auch physisch gezeichnet.

Viele gute Gründe also, warum die Jahrzehnte später gegen ihren Willen in den Norden des Landes zurückgeführte Schwester nichts mehr zu tun haben will mit Sprache und Kultur ihrer Vorfahren: Ihr war die Flucht in die größere Welt damals gelungen.

Nicht mehr als ein einfaches Sommerkleid brauchte es dazu, einen neuen Namen - und den anderen, unvoreingenommenen Blick, mit dem Dritte sie betrachten. Auf einmal ist sie nicht mehr vorrangig eine Sámi, sondern Christina, eine junge Frau, bildschön, voller Neugier auf die Welt und momentan befreit von der Notwendigkeit, der steten Erniedrigung zu entkommen. Lange dauert das Glück allerdings nicht, und es wird mit Schlägen und erneuter Erniedrigung bezahlt. Aber es kommt wieder, ein paar schwierige Anläufe später, und es bleibt. Bis die Schwester stirbt, die Elle Marja, nun Christina, mit dem Rest ihrer Tradition und Familie im Norden zurückließ - und ihr Sohn sie zur Konfrontation mit ihrer Herkunft nötigt.

Regisseurin Amanda Kernell verfilmt eine Dichotomie, die sie aus der eigenen Familie kennt. Einer ihrer Eltern ist Same, einer nicht. Während sie Sprachen studierte, lebten ihre Cousins von Rentierherden. Und sie hat phantastatisches Glück mit ihren Hauptdarstellerinnen. Cecilia Sparrok als junge Elle Marja und ihre Schwester Erika Sparrok als deren Schwester Njenna mögen Laiendarsteller sein, aber sie sind die perfekte Besetzung: die eine, die wagt und geht, die andere, die sich einfügt und bleibt.

»Das Mädchen aus dem Norden«, Schweden, Norwegen, Dänemark 2017. Regie: Amanda Kernell; Darsteller: Lena Cecilia Sparrok, Maj-Doris Rimpi. 113 Minuten.

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