Schwieriger Start in eine Erfolgsgeschichte

Hessens LINKE sitzt seit zehn Jahren im Landesparlament und hat sich für die Wahl im Herbst viel vorgenommen

  • Hans-Gerd Öfinger, Wiesbaden
  • Lesedauer: 3 Min.

Am 5. April kann die hessische Linkspartei ein Jubiläum feiern, das im Vergleich der größeren westdeutschen Flächenländer bislang einzigartig ist. Nun ist die Partei nämlich seit genau zehn Jahren ununterbrochen in Fraktionsstärke im Wiesbadener Landtag vertreten.

Im Jahr 2008 sorgte der Einzug der neuen sechsköpfigen Linksfraktion in die konstituierende Landtagssitzung im nagelneuen Plenarsaal weit über Hessen mit seinen sechs Millionen Einwohnern hinaus für Aufsehen. »Wir sind gekommen, um zu bleiben«, so lautete die selbstbewusste Parole der frisch gebackenen Abgeordneten, die sich rasch mit den Gepflogenheiten des Parlamentarismus zurechtfinden mussten. Hessen hatte damals eine fünfjährige CDU-Alleinherrschaft hinter sich. Die Regierung unter dem christdemokratischen Ministerpräsidenten Roland Koch hatte mit Spardiktat, Studiengebühren und der bundesweit bislang einzigen Privatisierung eines Universitätsklinikums eine starke Protestbewegung entfacht und dafür am Wahlabend Anfang 2008 die Quittung kassiert: Die Partei stürzte um zwölf Prozentpunkte ab.

Die Wechselstimmung im Lande gab vor allem der Sozialdemokratie Auftrieb, die sich damals mit ihrer Landesvorsitzenden Andrea Ypsilanti links von der Linie der Bundespartei präsentierte und im Wahlkampf mit einer Mindestlohnkampagne punktete. Sie strebte ein Bündnis mit den von Tarek Al-Wazir geführten Grünen an, wie es bereits bis 1999 bestanden hatte. Die panische CDU-Wahlkampfparole »Ypsilanti, Al-Wazir und die Kommunisten stoppen« verfehlte ihre Wirkung, und am Wahlabend stand auch fest, dass es für ein CDU/FDP-Bündnis nicht reichte, nachdem die LINKE mit 5,1 Prozent der Stimmen denkbar knapp den Einzug in das Parlament geschafft hatte. Antikommunistisch motivierte Zwischenrufe aus der CDU-Fraktion gehörten fortan zum parlamentarischen Alltag in Wiesbaden.

Für den erst ein halbes Jahr zuvor gegründeten LINKE-Landesverband war am Wahlabend im Januar 2008 erst einmal Aufatmen angesagt. Denn der Wahlkampfstart war extrem holprig. Bei der Aufstellung des Spitzenkandidaten im August 2007 war der vom Vorstand nominierte Ex-DGB-Landeschef Dieter Hooge durchgefallen. Rebellierende Delegierte hoben den Marburger Stadtverordneten Pit Metz aufs Schild. Metz warf schon nach wenigen Wochen das Handtuch und machte den Weg frei für Willi van Ooyen. Der nach eigenen Angaben »gelernte Außerparlamentarier« fungierte bis zu seinem Ausscheiden aus Altersgründen im April 2017 als Fraktionschef und engagiert sich nach wie vor in der Friedensbewegung.

Die heutige Fraktionsvorsitzende Janine Wissler hatte schon in der konstituierenden Plenarsitzung vor zehn Jahren mediale Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Sie war damals zweitjüngste Abgeordnete im Haus und saß als Schriftführerin neben dem Alterspräsidenten. Aufmerksamen Beobachtern fiel dabei das knallgelbe T-Shirt auf, das sie zum Verdruss manches CDU-Abgeordneten deutlich sichtbar unter ihrem Jackett trug - es war eines der Zeichen der damaligen landesweiten Protestbewegung gegen die Studiengebühren. Die Abschaffung dieser Gebühren setzten SPD, Grüne und LINKE im Landtag alsbald durch, was damals bundesweite Signalwirkung hatte. »Ohne uns wäre es auch nicht zur Einsetzung des NSU-Untersuchungsausschusses gekommen, der wichtige Erkenntnisse zutage gefördert hat«, schätzt Wissler ein.

Ein weiterer Schwerpunkt der LINKEN im Wiesbadener Landtag ist der Widerstand gegen den ungezügelten Ausbau des Flughafens Frankfurt/Main. Da bringe ihre Fraktion als einzige im Landesparlament die Interessen der Bürgerinitiativen zur Sprache, unterstreicht Wissler. »Auch in den nächsten zehn Jahren werden wir viel Wert auf Zusammenarbeit mit Gewerkschaften, Bürgerinitiativen sowie Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen legen.«

Die heute 36-jährige Wissler soll nach dem Willen des Landesvorstands Ende April zur Spitzenkandidatin für die Landtagswahl im kommenden Oktober gekürt werden. Zusammen mit dem für Platz 2 vorgeschlagenen Jan Schalauske (37) soll sie den Generationswechsel im Landesverband verkörpern. Beide LINKE-Politiker haben bei den zurückliegenden Oberbürgermeisterwahlen in Frankfurt am Main beziehungsweise Marburg mit Werten von 8,8 beziehungsweise 9,7 Prozent persönliche Achtungserfolge erzielt. Mit der noch zu wählenden Doppelspitze »Janine und Jan« erhoffen sich viele in der Partei ein besseres Abschneiden der LINKEN als bei den Urnengängen 2009 (5,4 Prozent) und 2013 (5,2). Aktuelle Umfragen verheißen der Partei sieben bis acht Prozent der Stimmen.

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