- Politik
- Berliner Senat ist gefordert
»Überall in Berlin brennt es«
Feuerwehr verlängert Mahnwache vor Rotem Rathaus / Solidarität von Vivantes bis zum Zoll
Seit mehr als einer Woche protestieren Feuerwehrleute vor dem Roten Rathaus mit einer Mahnwache gegen schlechte Arbeitsbedingungen. Rund um die Uhr stehen sie seit Montag vor Ostern in Schichten um eine wärmende Feuertonne herum, sitzen auf Campingstühlen oder trinken Tee und Kaffee unter einem roten Pavillon, der als Vorratskammer dient. Die Betreiber nahe gelegener Restaurants bringen ganze Mahlzeiten vorbei, Passanten schenken den Demonstranten Kuchen. Eine Reihe von Politikern hat die protestierenden Feuerwehrleute schon besucht. Darunter ihr oberster Dienstherr, Innensenator Andreas Geisel (SPD).
Das rechnet ihm Gewerkschafter Dietmar Bauske hoch an. »Geisel hat uns hier während seines Urlaubs und in krankem Zustand besucht.« Das sei ein positives Zeichen gewesen. Doch konkrete Ankündigungen für Verbesserungen gebe es bisher nicht.
Deshalb soll die Mahnwache weitergehen - zunächst unbegrenzt. Die Schichtpläne bis Ende nächster Woche sind bereits gefüllt. »Wir haben nicht viele Möglichkeiten, um gegen unsere Arbeitsbedingungen zu protestieren«, sagt Bauske. Er ist Hauptbrandmeister in Zehlendorf und Mitglied der Gewerkschaft der Polizei (GdP), die die Mahnwache gemeinsam mit ver.di und der Deutschen Feuerwehr Gewerkschaft (DFeuG) organisiert. Bauske nimmt in seiner Freizeit teil - wie alle hier. 90 Prozent der Feuerwehrleute sind Beamte. Als solche dürfen sie nicht streiken.
Die Gründe für den Protest sind vielfältig, im Grunde spiegeln sie den Zustand der gesamten Berliner Verwaltung wieder. »Seit vielen Jahren wird bei der Feuerwehr gespart«, sagt Bauske. »Man hätte schon viel früher eine Aktion wie diese machen müssen.«
»Jetzt quietscht es.«
Ver.di-Sprecher Andreas Splanemann sagt: »Jahrelang lautete das Motto ›Sparen bis es quietscht‹. Jetzt quietscht es so stark, dass die Situation nicht mehr so einfach zu lösen ist. Egal wo man anfängt, man hat immer neue Probleme.« Größtes Problem ist der akute Personalmangel. Der führt dazu, dass die Feuerwehr immer häufiger den Ausnahmezustand ausruft. »Bitte nur dringende Anrufe«, fordert sie die Bevölkerung dann auf. Denn auch das ist ein Problem: Der Notruf 112 wird viel zu oft für Nichtigkeiten angerufen.
Die Feuerwehrleute fordern daher nicht nur einen höheren Lohn, um den Beruf wieder attraktiver zu machen und so geeignete Bewerber zu finden, nicht nur eine Aufstockung des Personals und eine Verbesserung der Infrastruktur, sondern auch eine öffentlichkeitswirksame Kampagne, mit dem Ziel, die »Alarmzahlen zu reduzieren«, sagt ver.di-Betriebsgruppensprecher Stefan Ehricht. »Wir sind schließlich kein Informationsdienst.«
Dass die Feuerwehrleute so nicht weiterarbeiten wollen, zeigt die Mahnwache auch deshalb, weil sie spontan eingerichtet wurde - obwohl in diesem Jahr sowieso Tarifverhandlungen im Öffentlichen Dienst laufen.
Anfrage auch von BVG und BSR
Sie trifft auf jeden Fall einen Nerv. Einige Polizisten haben sich bereits mit den Feuerwehrleuten solidarisiert, und für den Donnerstagnachmittag hat sich »eine größere Gruppe« angekündigt, weiß Ehricht, der auch berichtet, dass sich bereits einige Polizisten in die Schichtpläne eingetragen haben - ehrenamtlich, versteht sich. Anfragen habe es auch von Mitarbeitern des Klinikums Vivantes gegeben, der Berliner Verkehrsbetriebe, der Berliner Stadtreinigung und dem Zoll. Splanemann wundert das nicht. »Es brennt ja eigentlich überall in Berlin, nicht nur bei der Feuerwehr.«
»Wir haben verstanden.«
»Wir wissen, dass es Unzufriedenheit gibt, und wir haben verstanden, dass wir etwas tun müssen«, sagt Martin Pallgen, Sprecher der Senatsverwaltung für Inneres. »Wir haben auch schon etwas getan«, ergänzt er und verweist auf den aktuellen Doppelhaushalt 2018/2019, in dem 350 neue Stellen für die Feuerwehr vorgesehen sind und Mittel für fast 100 neue Fahrzeuge. Auch über die übrigen Forderungen versuche die Innenverwaltung, gemeinsam mit der Feuerwehrführung zu einer Lösung zu kommen.
Auch die drei Gewerkschaften, die hinter der Mahnwache stehen, wollen mit dem Senat in Gespräche eintreten. Am Mittwochnachmittag kündigten sie einer gemeinsamen Erklärung einen Forderungskatalog an, auf den sich ver.di, GdP und DFeuG verständigt haben. Details dazu gaben sie nicht bekannt.
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