Mainz streitet über den Bibelturm

Der erste Bürgerentscheid in der rheinland-pfälzischen Hauptstadt dreht sich um die Erweiterung des renommierten Gutenberg-Museums

  • Peter Zschunke, Mainz
  • Lesedauer: 3 Min.

Anlässlich des ersten Mainzer Bürgerentscheids - er endet am 15. April - wird im Meinungsstreit zwischen Befürwortern und Gegnern des Erweiterungsbaus fürs Gutenberg-Museum der Ton rauer. Die Diskussion über diesen »Bibelturm« ist seit Wochen das Stadtgespräch Nummer eins. Nun werde die Kampagne »immer aggressiver«, sagt der Gründer der gegen das Bauprojekt kämpfenden Bürgerinitiative Gutenberg-Museum, Thomas Mann.

Bis Dienstagabend haben nach Angaben des Ordnungsamts schon 20 870 von rund 161 800 stimmberechtigten Mainzern Unterlagen für eine Abstimmung mit Brief angefordert oder bereits vor Ort ihre Stimme abgegeben. Der Bürgerentscheid ist gültig, wenn entweder die Ja- oder die Neinstimmen ein Quorum von mindestens 15 Prozent der Stimmberechtigten erreichen, also etwa 24 270 Stimmen. »Es wird sehr, sehr eng«, sagte am Mittwoch der Sprecher der für den »Bibelturm« eintretenden Bürgerinitiative »Mainz für Gutenberg«, Henning von Vieregge. »Wir haben zwar die besseren Argumente, (...) aber wir kämpfen gegen einen Aufmarsch an Populismus.« Inzwischen bieten beide Seiten prominente Unterstützer auf: die Fastnachter Lars Reichow und Hans-Peter Betz auf Seiten der Befürworter, die Schauspielerin Gudrun Landgrebe und der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Johannes Gerster bei den Gegnern.

Der Turm auf dem Liebfrauenplatz soll rund 23 Meter hoch werden und dem Museum 400 Quadratmeter an zusätzlicher Ausstellungsfläche geben. Der Entwurf des Hamburger Büros DFZ Architekten sieht für den eigentlich als Bibliotheksturm bezeichneten Bau eine Fassade aus Kupferblech vor, das mit frei gesetzten Buchstaben perforiert ist. Der Platz werde mit der neuen Gestaltung nur gewinnen, sagt von Vieregge. Mit Ausnahme von drei Platanen und »dem einen oder anderen Stiefmütterchen« bleibe die jetzige Bepflanzung erhalten.

»Über Geschmack lässt sich streiten«, sagt Mann, der die Bürgerinitiative der Gegner schon vor zwei Jahren gegründet hat, kurz nach der Entscheidung im Architektenwettbewerb. Das städtebauliche Argument sei nur der Auslöser gewesen, sagt Mann. Mit zunehmender Zeit sei die fehlende Finanzierung für das Gesamtprojekt in den Vordergrund getreten. Die Gegner sammelten 9593 Unterschriften gegen den Turm, für die Durchsetzung eines Bürgerentscheids werden 7800 benötigt. Allerdings wurden die Listen verspätet vorgelegt. Dennoch sprach sich der Stadtrat nach einem Antrag von SPD, Grünen und FDP für die Abstimmung aus.

»Das Hauptziel ist erreicht«, sagt Mann mit Blick auf die Abstimmung. »Wir gehen auf alle Fälle als Gewinner heraus, das ist ein Riesenerfolg.« Das schlechteste Ergebnis aus seiner Sicht wäre es, wenn die Gegner eine Mehrheit, aber nicht das Quorum schaffen würden: »Das wäre sehr unglücklich, wenn dann der Stadtrat gegen die Mehrheit der abgegebenen Stimmen entscheiden würde.«

»Wir hoffen, dass wir der Stadt und den Mainzer Bürgern eine Riesenblamage ersparen«, sagt hingegen Johannes Strugalla von der Bürgerinitiative »Mainz für Gutenberg«. Der Turm werde auf dem 6200 Quadratmeter großen Liebfrauenplatz nur 150 Quadratmetern einnehmen, rechnen die Befürworter des Projekts vor. Möglicherweise spielt bei der Abstimmung das emotionalste Argument der Gegner eine Rolle: Beim traditionellen Marktfrühstück am Samstag, einem fröhlichen kollektiven Weintrinken im Freien, zählt jeder Quadratmeter im Schatten des Doms. dpa/nd

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