- Politik
- Palästinenser-Proteste
Rauchzeichen in Gaza
Wieder Tote und Verletzte bei neuen Protesten der Palästinenser an der Grenze zu Israel
Der schwarze Rauch war am Freitag schon von weitem sichtbar: Bereits in den frühen Morgenstunden hatten überwiegend junge Palästinenser im Gazastreifen an der Grenze zu Israel damit begonnen, alte Reifen in Brand zu stecken. Bis zu 10 000 sollten bis zum Abend angezündet werden. Schon am Tag zuvor hatten Lastwagen Berge von Altreifen angeliefert. Man wolle ein »unübersehbares Zeichen« setzen, erklärte das Innenministerium in Gaza, Teil der von der Hamas geführten Parallelregierung im Gazastreifen. Es forderte die Menschen dazu auf, sich unmittelbar nach dem Freitagsgebet zu den Protesten zu begeben. Bei einem ersten Freitagsprotest in der Vorwoche hatten 30 000 Palästinenser demonstriert, sich zum Teil auch dem Grenzzaun genähert. Israels Militär setzte scharfe Munition ein; mindestens 18 Menschen wurden getötet. Sechs Wochen lang, bis zum 70. Jahrestag der israelischen Unabhängigkeit sollen die »Märsche der Rückkehr« weitergehen und Israel unter Druck setzen.
Die ersten Proteste hatten dort eine Debatte über den Schusswaffeneinsatz gegen unbewaffnete Zivilisten in unmittelbarer Grenznähe ausgelöst. Menschenrechtsorganisationen wie BeTselem kritisierten die Schüsse als unverhältnismäßig und forderten Soldaten in Zeitungsanzeigen dazu auf, keine mehr auf Zivilisten abzugeben. Verteidigungsminister Avigdor Liebermann betonte, es werde auch weiterhin scharf geschossen, falls Personen versuchten, sich den Grenzanlagen zu nähern: »Die Sicherheit des Staates muss mit allen Mitteln geschützt werden, die von den gültigen Einsatzregeln gedeckt sind.« Und so wurde auch an diesem Freitag mehrfach auf Palästinenser gefeuert. Zudem wurde Tränengas eingesetzt. Mindestens zwei Menschen sollen getötet und 250 verletzt worden sein; mehrere davon lebensgefährlich, so ein Sprecher der palästinensischen Gesundheitsbehörde. Nach Angaben der israelischen Armee waren rund 10 000 Palästinenser den Protestaufrufen gefolgt. »Die Zahl der Teilnehmer ist hinter unseren Erwartungen zurückgeblieben« sagte ein Mitarbeiter des Hamas-Innenministeriums. Tawfiq Abu Naim, Sicherheitschef der Hamas, warf der Regierung von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und mehreren mit Hamas konkurrierenden Gruppen vor, die Proteste zu sabotieren.
Vor allem der Islamische Staat (IS), der im Gazastreifen zuletzt stark an Unterstützung gewonnen hat, nutzte die hohe Opferzahl am ersten Tag der Proteste zu rhetorischen Angriffen auf die Hamas-Regierung: »Die Hamas steht tatenlos daneben, während die Besatzer unser Kinder töten«, heißt es in einem am Freitag in Moscheen in Gaza verteilten IS-Pamphlet.
Die palästinensische Regierung in Ramallah warnte indes vor dem Verbrennen von Reifen - die Dämpfe seien hoch toxisch. Wer sie einatme, müsse mit sofortigen Schäden an inneren Organen rechnen, so auch die palästinensische Ärztekammer. Hinzu komme, dass die Schadstoffe zunächst in die Luft aufsteigen und dann mit dem nächsten Regen auf Menschen, Tiere und Pflanzen niedergehen. Zudem sei der Boden, auf dem die Reifen verbrannt werden, für Jahrzehnte für die Landwirtschaft verloren - ein großes Problem für den übervölkerten Gazastreifen, in dem jeder Quadratmeter wichtig ist und immer weniger sauberes Wasser zur Verfügung steht. Doch zumindest nach außen hin will die Hamas davon nichts wissen: »Die Freiheit des palästinensischen Volkes steht an erster Stelle«, so Abu Naim, »danach werden wir unser Land zum Blühen bringen.«
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.