• Politik
  • Proteste nach Tod von 15-jähriger Mia

Verletzte und Übergriffe bei Demonstration in Kandel

900 Teilnehmer bei rechtem Aufmarsch / Gegenprotest von 360 Antifaschisten

  • Lesedauer: 4 Min.

Kandel. Etwa 1260 Menschen haben am Samstag im Zusammenhang mit dem Tod des Mädchens Mia im südpfälzischen Kandel demonstriert. 900 davon nahmen nach Angaben der Polizei an einer Demonstration des bürgerlich-rechten bis rechtspopulistischen Lagers unter dem Motto »Migrationspolitik, Innere Sicherheit« teil. 360 andere beteiligten sich demnach an Aktionen des linken Spektrums.

Dabei sei eine Gegendemonstrantin von einem Vertreter des rechten Spektrums leicht verletzt worden, teilten die Beamten mit. Zudem sei eine weitere Körperverletzung angezeigt worden. Details dazu konnte die Polizei auch am Sonntag nicht nennen.

Rund 1000 Polizisten sorgten dafür, dass die Züge der verschiedenen Gruppen nicht aneinandergerieten. Sie sprachen 16 Platzverweise aus und stellten bei einem Vertreter der rechten Szene ein Messer sicher. 16 Anhänger des linken Spektrums wurden wegen »Angriffen« auf Bundespolizisten am Bahnhof Wörth angezeigt.

Seit dem Tod der 15-Jährigen Mia Ende Dezember kommt es in Kandel immer wieder zu Demonstrationen von rechtspopulistischen Gruppen und zu Gegendemonstrationen. Sie war mutmaßlich von ihrem Ex-Freund erstochen worden, einem Flüchtling aus Afghanistan. In Deutschland wird durchschnittlich jeden Tag eine Frau durch ihren Partner getötet. Auch in anderen Ländern sind Morde an Frauen – Femizide – ein großes Problem.

Lesen Sie auch: Warum manche Medien nur zögerlich über Kandel berichtet haben

Nach Angaben der Polizei wurden Bundespolizisten am Bahnhof Wörth von Vertretern der linken Szene daran gehindert, einen Zug in Richtung Kandel zu betreten. »Dann hat man gegen die Kollegen getreten und geschlagen«, sagte ein Polizeisprecher. 16 Zugpassagiere wurden deshalb wegen Landfriedensbruchs und Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte angezeigt. Bei 56 anderen wurde die Identität festgestellt. Wegen des Vorfalls organisierten Demonstranten später in Kandel und Karlsruhe Spontanversammlungen.

Symbolische Reinigung

Nach den Demonstrationen fegten Mitglieder des Bündnisses »Wir sind Kandel« symbolisch den Platz, auf dem das rechte Lager seine Kundgebung abgehalten hatte. Damit sollte gezeigt werden, dass man die Rechten nicht in der Stadt wolle, sagte ein Sprecher.

Bei der Kundgebung des rechtspopulistischen Lagers sagte der Versammlungsleiter Marco Kurz, in den vergangenen drei Monaten habe sich sehr viel bewegt. »Wer hätte gedacht, dass der Name Kandel noch heute deutschlandweit in den Medien erscheint und unsere Arbeit inzwischen eine wichtige Rolle in der breiten Kritik an den Vorgängen im Land übernommen hat.«

Die Demonstranten trugen neben Deutschlandfahnen Transparente mit der Aufschrift »Integration ist eine Lüge«, »Merkel muss weg« und »Stopp!! dem Moscheen-Bau«. Zudem gab es Sprechchöre mit den Slogans »Festung Europa, macht die Grenzen dicht!«, »Wir sind das Volk« und »Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen«. Ursprünglich waren nur 200 Teilnehmer zu der Aktion erwartet worden.

Die Gegendemonstranten konterten mit den Rufen »Nazis raus« und »Hoch die internationale Solidarität«. Sie trugen Transparente mit den Parolen »Frauenrechte statt rechte Frauen« und »Refugees welcome«. Beide Lager hatten mehrere Versammlungen angekündigt.

Lesen Sie auch: Rassistisch, wer nur über den Femizid von Kandel berichtet

Kandeler Bürger beklagten unterdessen, dass Ortsfremde in der Stadt ihre politischen Versammlungen abhalten. »Für die Stadt ist das eine Katastrophe«, sagte ein 50-Jähriger. »Wir fühlen uns schon schwer missbraucht«, sagte ein 78-jähriger Geschäftsmann. Eine Vertreterin des Gewerbevereins sagte, Handel und Anwohner litten massiv unter den Umständen. Manche Händler hätten an den Demonstrationssamstagen Umsatzeinbußen bis zu 100 Prozent. Vor zwei Wochen hatten 3000 Menschen in Kandel demonstriert, am 3. März waren es 4500 gewesen. dpa/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.