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Von Nablus nach Boston

Hala Alyan: In ihrem Debütroman »Häuser aus Sand« geht es um eine palästinensische Familie

  • Lilian-Astrid Geese
  • Lesedauer: 3 Min.

Heimat. Heimat? Für viele ist es das Land oder die Region, in der man geboren wird und/oder aufwächst. Der Ort, den man manchmal freiwillig, oft aber auch vertrieben für immer verlässt. An den es theoretisch oder praktisch oft keine Rückkehr mehr gibt.

Für die »zweite und dritte Generation« in der Diaspora ist Heimat manchmal auch der Herkunftsort der Eltern oder Großeltern, auf den sich die Sehnsucht und Träume ausrichten. Ein Ort, der idealisiert und glorifiziert wird, jedenfalls von vielen, die gezwungen wurden zu gehen. Ein Ort, von dem man sich ein Bild macht, auch wenn man ihn nie sah und nie sehen wird. Doch was, wenn das Land, das Dorf, das Haus, das »Heimat« ist, nicht mehr existiert? Wenn es nicht nur eine erste, sondern eine zweite und dritte Vertreibung gibt? Wenn sich nie eine ortsgebundene Identität bilden kann, weil das Fortgehen und die zerrissene Familie das prägende Motiv der eigenen Biografie sind?

In so einer Situation baut man die »Häuser aus Sand«, von denen der Titel von Hala Alyans Debütroman kündet. Alyan wurde 1986 geboren, arbeitet als Psychologin und lebt mit ihrem Mann in Brooklyn, New York. Lebendig und mit viel Gefühl beschreibt sie die palästinensische Familie Yacoub - von den Urgroßeltern Salma und Husaam in Nablus bis zu den Urenkeln Abdullah, Linah, Manar und Zain in Boston - auf der Suche nach Glück, Frieden oder manchmal auch nur Ruhe und die Chance, ein neues Leben zu beginnen. Jede und jeder von ihnen sucht einen eigenen Weg, mit dem Schicksal fertig zu werden: Trauern, Vergessen, Feiern, Verdrängen, Schreiben ...

Hala Alyan, die für ihre Lyrik bereits mehrfach ausgezeichnet wurde, beschreibt die Flucht, das Getriebensein, die Sehnsucht. Salma, die erste Protagonistin ihres Buches, und ihre Familie stehen in ihrer Vielfalt für das ganze palästinensische Volk. Radikale Kämpfer gibt es, überzeugte Modernisierer, Traditionalisten und Gottesfürchtige, starke Frauen, stolze Männer, Kinder einer neuen Generation, für die die Stationen der Flucht nur noch erzählte - und manchmal auch verschwiegene - Legenden sind. Sie alle bevölkern Hala Alyans liebevoll konstruierten Kosmos.

Gegen Ende wird ihr Roman allerdings recht vorhersehbar und schwächelt: Dass Alia, der ihre Mutter Salma einst bei der Hochzeit aus dem Kaffeesatz ein schwieriges Leben herauslas und es der Tochter verschwieg, an Alzheimer erkrankt, ist etwas dick aufgetragen. Dass Manar, Salmas Urenkelin, nach Israel reist und ihre Wurzeln spüren möchte, die es für sie dort nie gab, wirkt ebenfalls zu konstruiert. Beides hat den Anschein von nachträglich eingefügten Ideen, als hätte die Autorin nicht gewusst, wie das Buch sonst enden soll. Dabei gehen Familiengeschichten, denn das ist ihr Wesen, immer weiter.

Hala Alyan: Häuser aus Sand. Roman. Aus dem Engl. von Michaela Grabinger. Dumont Verlag, 394 S., geb., 24 €.

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