Macron sucht Einfluss auf Saudi-Arabien
Kronprinz bin Salman zum ersten Staatsbesuch in Paris
Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman ist am Sonntag zu einem dreitägigen offiziellen Besuch in Paris eingetroffen. Für Dienstag ist er von Präsident Emmanuel Macron zu Gesprächen ins Elysée eingeladen. Der Besuch in Paris ist die letzte Etappe einer Reise, die den Kronprinzen nach Ägypten, Großbritannien und drei Wochen lang in die USA führte.
Es ist das erste Auftreten im Ausland, seit bin Salman im Juni 2017 von seinem 80-jährigen Vater Salman ibn Abd al-Aziz, der seit 2012 Staatsoberhaupt ist, offiziell zum Kronprinzen ernannt wurde. Seitdem hat er de facto schon einen Großteil von dessen Kompetenzen übernommen. Der 32-Jährige hat große Ambitionen für das Land. Er will es von den Ölexporten unabhängiger machen, da der Ölpreis derzeit verfällt, und will neue Einnahmequellen erschließen, zu denen High-Tech-Industrie und der Tourismus gehören. Dafür hat er ein Strategieprogramm bis 2030 ausgearbeitet. Als erste Steuer in der Geschichte des Landes wurde mit Jahresbeginn eine Mehrwertsteuer eingeführt. Zu den ersten Reformen gehört auch, dass Frauen Auto fahren und als Zuschauerinnen Sportveranstaltungen verfolgen sowie Kinos und Konzerte besuchen dürfen, die neuerdings zugelassen sind.
Andererseits regiert bin Salman innenpolitisch autoritär und lässt Kritiker inhaftieren und foltern, geben französische Menschenrechtsorganisationen zu bedenken und fordern Macron auf, hier seinen Einfluss geltend zu machen. Die Beziehungen zu Frankreich sind eng, aber nicht frei von Spannungen. So wird von Riad eine Vermittlung von Frankreich zur Erhaltung des internationalen Atomabkommens mit Iran abgelehnt.
Auch wird seit Jahren alles getan, um den Einfluss des schiitischen Erbfeindes Iran in der Region zurückzudrängen und dafür beispielsweise im Nachbarland Jemen massiv und ohne Rücksicht auf zivile Opfer gegen die von Iran unterstützten radikal-islamistischen Milizen vorzugehen. Diese Außenpolitik hat Frankreich mehrfach, wenngleich oft diplomatisch verpackt, kritisiert.
Eine erste ernstere Konfrontation mit dem neuen französischen Präsidenten gab es, als im November 2017 der libanesische Premier Saad Hariri, dem Saudi-Arabien eine Begünstigung der von Iran gelenkten Schiitenmiliz Hisbollah vorwarf, bei einem Besuch in Riad zur Amtsniederlegung gezwungen und unter Hausarrest gestellt wurde. Dank dem Eingreifen von Macron musste Harari nach Tagen von den saudischen Behörden freigelassen werden und er konnte über Paris nach Beirut und in sein Amt zurückkehren.
Der jüngste außenpolitische Coup von bin Salman ist der demonstrative öffentliche Schulterschluss mit Israel, mit dem Saudi-Arabien die feindselige Haltung gegenüber Iran teilt. Diese und andere außenpolitische Themen werden die Gespräche zwischen dem Kronprinzen und Macron bestimmen. Dabei wird bin Salman die liberale Öffnung des Königreiches herausstellen und Macron versuchen, seinen Einfluss - und damit den Europas - auf Riad auszubauen. Größere wirtschaftliche Vorhaben beider Länder sind nicht zu erwarten, da die Regierung in Riad bei Waffenkäufen und Investitionen die USA vorzieht. Dort hat bin Salman gerade erst Verträge über eine Milliarde Dollar für den Kauf von Waffen unterzeichnet. Langfristig hofft Frankreich, sich zumindest an dem großen Strategieprogramm Saudi-Arabiens zur Erschließung seiner touristischen Potenzen beteiligen zu können.
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