- Politik
- Hartz IV
SPD für mildere Hartz-IV-Sanktionen für junge Menschen
Heil: »Halte es nicht für sinnvoll, dass für Jüngere strengere Regeln gelten als für Ältere und das Wohngeld gekürzt wird«.
Berlin. Die SPD hält eine Entschärfung der Hartz-IV-Sanktionen für junge Menschen für geboten. Grundsätzlich will sie aber - wie auch die Union - daran festhalten, dass die Bezüge gekürzt werden, wenn Hartz-IV-Bezieher etwa Termine im Jobcenter nicht wahrnehmen. »Verschärfte Sanktionen für junge Menschen sind keinesfalls sinnvoll, aber eine generelle Abschaffung von Sanktionen halte ich für schwierig«, sagte SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles der »Frankfurter Rundschau« (Donnerstag).
Unionsfraktionsvize Hermann Gröhe (CDU) betonte: »Wir halten an den Sanktionen im SGB II (Sozialgesetzbuch) fest.« Wer die Solidarität der Gemeinschaft zur Sicherung seiner Lebenshaltungskosten in Anspruch nehme, habe die Verpflichtung zur Mitwirkung, sagte der frühere Gesundheitsminister der »Rheinischen Post« (Donnerstag). Auch Nahles will am Prinzip »Fordern und Fördern« festhalten, wie sie sagte.
Nahles’ Nachfolger als Arbeitsminister, Hubertus Heil (SPD), hat eine Prüfung der Hartz-IV-Sanktionen angekündigt. Im vergangen Jahr war die Zahl der Sanktionen um rund 13.700 auf knapp 953.000 gestiegen. Die Sanktionsquote, also das Verhältnis von verhängten Sanktionen zu allen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, lag jedoch unverändert bei 3,1 Prozent.
Heil sagte der Wochenzeitung »Die Zeit« (Donnerstag): »Ich halte es nicht für sinnvoll, dass - wie es derzeit der Fall ist - für Jüngere strengere Regeln gelten als für Ältere. Oder dass das Wohngeld gekürzt wird und die Leute auf der Straße stehen.« Grundsätzlich seien Kürzungen aber in Ordnung, weil die Gesellschaft für Unterstützung eine Gegenleistung erwarten könne.
Rund drei Viertel der Sanktionen werden wegen Meldeversäumnissen verhängt - wenn also beispielsweise jemand einen Termin beim Jobcenter ohne Angabe eines wichtigen Grundes nicht wahrnimmt. Menschen unter 25 Jahren sind von den Sanktionen stärker betroffen. Das Gesetz sieht bei Jugendlichen bereits beim ersten Verstoß, der über ein Meldeversäumnis hinausgeht, eine hundertprozentige Sanktion der Leistung vor.
Nahles hatte als Ministerin unter 25-Jährige nicht mehr strenger behandeln wollen als Ältere, war aber vor allem am Widerstand Bayerns gescheitert. CSU-Chef Horst Seehofer hatte 2014 dazu gesagt: »Wir können jetzt nicht das tragende Element des Forderns von Arbeitslosen aufweichen.«
Gegenwind bekam Heil für seine ebenfalls in dem Interview gemachte Ankündigung, eine Erhöhung der Hartz-IV-Bezüge zu prüfen. Der Sozialexperte der FDP-Fraktion, Pascal Kober, mahnte: »Eine willkürliche Festlegung der Regelsätze, wie sie Hubertus Heil ankündigt, wurde in der Vergangenheit bereits vom Bundesverfassungsgericht moniert.« Heil sollte die Ergebnisse der offiziellen Berechnungsgrundlage für Hartz, der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, dieses Jahr abwarten und fundierte Sätze berechnen, sagte Kober der Deutschen Presse-Agentur. Derzeit liegt der Regelsatz für einen Alleinstehenden bei 416 Euro im Monat.
»Sinnvoller als eine kleine Erhöhung der Regelsätze wäre es, die Einkommensmöglichkeiten zu verbessern, also die Zuverdienstgrenzen großzügiger zu bemessen, damit Hartz-IV-Empfängern mehr vom selbstverdienten Geld in der Tasche bleibt«, forderte Kober. »Von 450 Euro bleiben nur 170 Euro. Das ist zu wenig und nicht gerecht.« Eine linearere Ausgestaltung der Zuverdienstgrenzen sei dringend notwendig und finanzierbar.
Der Sozialverband VdK Deutschland hingegen verlangt spürbar höhere Hartz-Leistungen. »Die Erhöhung der Regelsätze ist ein wirksames Mittel im Kampf gegen Armut, da die bisherigen Regelsätze künstlich kleingerechnet sind und nicht das Existenzminimum abdecken«, sagte VdK-Präsidentin Ulrike Mascher der dpa. »Bei korrekter Herleitung der Regelsätze müssten diese um circa 20 Prozent angehoben werden.« dpa/nd
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.