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LINKE will Hausbesitzer enteignen
Instrument der Sozialisierung soll zur Gewinnung von Flächen für Wohnraum genutzt werden
Die LINKE will Sozialisierungen nutzen, um Spekulation und Leerstand einzuschränken. In Fällen von langjährig nicht genutztem Baurecht für den Wohnungsbau oder bei leerstehenden Häusern soll »das Instrument zur Enteignung auch zur Rückgewinnung von Flächen zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum und sozialer Infrastruktur wie zum Beispiel Kita- und Schulpätzen« genutzt werden. So steht es im Leitantrag »Wem gehört die Stadt? - Das Öffentliche stärken«, der am kommenden Samstag beim Landesparteitag in Adlershof zur Abstimmung steht.
Es gehe nicht darum, Kleingärtner zu enteignen, sondern darum, an die großen Investitionsflächen heranzukommen, sagte die Landesvorsitzende der LINKEN, Katina Schubert, bei einem Pressegespräch in der Parteizentrale im Karl-Liebknecht-Haus am Donnerstag im Vorfeld der Versammlung. Die Nutzung des Instruments der Enteignung an sich sei nichts Besonderes, sondern beispielsweise vom Autobahnbau bekannt. »Es ist eine wichtige Sache, dass wir das Mittel des Zweckentfremdungsverbots-Gesetzes konsequent nutzen, um Gebäude und Wohnungen zurückzuführen«, sagte Schubert. Um die Forderung zu realisieren, sollen auch die Bezirke mit mehr Personal ausgestattet werden, damit sie etwa Grundbucheinträge prüfen können.
- In der linksradikalen Szene wird das Instrument der Enteignung derzeit ebenfalls diskutiert. »Wir fordern, die Häuser von Immobilienspekulanten wie ›Deutsche Wohnen‹ zu enteignen und unter die Kontrolle der Mieter und Mieterinnen zu stellen«, erklärte Tobias Feldner, ein Sprecher des Vorbereitungsbündnisses der »Revolutionären 1.-Mai-Demonstration«. Der Senat habe gezeigt, dass »er auch weiterhin die Interessen der Immobilienspekulanten« durchsetze, heißt es in der Erklärung weiter.
- Auch über die Ebene von Demonstrationsaufrufen hinaus diskutieren Mietenaktivisten derzeit Sozialisierungen. In Vorbereitung befindet sich eine Initiative für ein Volksbegehren zur Enteignung großer börsennotierter Immobilienkonzerne, die sich noch im April einer breiteren Öffentlichkeit vorstellen will. Im Mittelpunkt steht dabei ebenfalls die »Deutsche Wohnen«, der mit 110 000 Wohnungen größte Akteur auf dem Berliner Wohnungsmarkt. mkr/balc
Einen Gesetzesentwurf für eine Verschärfung des Zweckentfremdungsverbots-Gesetzes war bereits im Frühjahr vom rot-rot-grünen Senat gebilligt und ins Abgeordnetenhaus eingebracht worden. Die Linkspartei stellt sich beim Landesparteitag mit dieser Forderung erneut hinter Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (LINKE). Während der Leerstand in der Hauptstadt immer weiter absinkt, hat die Spekulation mit Grundstücken Hochkonjunktur. Analog zum Vorkaufsrecht für Mietshäuser in Milieuschutzgebieten könnte eine Forcierung von Enteignungen das derzeit stattfindende Grundstücks-Monopoly zumindest ein wenig einschränken.
Das Nutzen von Enteignungen zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum ist indessen lediglich ein Vorschlag, mit dem die Linkspartei ihr Programm auf dem Landesparteitag schärfen will. Bei dem als »Arbeitsparteitag« deklarierten Treffen der 180 Delegierten in Adlershof stehen die programmatischen Vorstellungen im Mittelpunkt. Ein Wahlparteitag, bei dem die Landespitze neu gewählt wird, steht erst Ende des Jahres an.
Zur geforderten Stärkung des Öffentlichen gehören für die LINKE neben den stadtpolitischen Positionen auch die Themen Mobilität, Kommunalisierung der Energieversorgung sowie bessere Ausstattung - sowohl finanziell als auch personell - der Gesundheitsversorgung. Auf dem Landesparteitag soll deshalb auch eine Vertreterin des laufenden Volksbegehrens für bessere Krankenhäuser sprechen, für das zurzeit Unterschriften gesammelt werden.
Zumindest teilweise kontroverse Debatten sind zur Unterstützung eines Volksbegehrens »Werbefreies Berlin« zu erwarten, genauso wie zur Organisierung des Schulbaus. Dazu hatte zwar der vergangene Parteitag einen Beschluss gefällt, doch zum Thema, wie genau der Schulbau durch die HOWOGE organisiert werden soll, gibt es weiter Gesprächsbedarf.
Auch bei einer anderen Debatte stehen der Partei inhaltliche Auseinandersetzungen bevor: beim Neutralitätsgesetz. Dass der Parteitag beschließt, die Regelung wie gefordert aufzuheben, ist ausgeschlossen. Die Linkspartei-Genossen wollen erst einmal ausführlich diskutieren, wie mit dem Neutralitätsgesetz umzugehen ist. Erst im Anschluss an die Debatte soll dann ein anderen Parteitag einen Beschluss fassen.
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