GroKo bei Hartz IV nur in Detailfragen uneins

An den Sanktionen wollen beide Seiten nicht rütteln - Sozialdemokraten plädieren aber für Erleichterungen bei unter 25-Jährigen

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.

Die SPD möchte die strengeren Sanktionen gegen jugendliche Hartz-IV-Bezieher etwas entschärfen, CDU und CSU stemmen sich gegen jegliche Änderungen am Strafregime. Auf diese simple Formel lässt sich der derzeitige Streit in der Koalition bringen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte eine Prüfung der Hartz-IV-Sanktionen angekündigt. Im vergangenen Jahr war die Zahl der Strafmaßnahmen um rund 13 700 auf knapp 953 000 gestiegen. Rund drei Viertel der Sanktionen wurden wegen Meldeversäumnissen verhängt, also weil die Betroffenen einen Termin versäumt hatten.

Heil hält strengere Regeln für jüngere Hartz-IV-Bezieher »nicht für sinnvoll«, wie er der »Zeit« sagte. Derzeit streicht man jungen Langzeitarbeitslosen unter 25 Jahren schon bei der ersten »Pflichtverletzung« das Geld für bis zu drei Monate. Wiederholt sich das innerhalb eines Jahres, übernimmt das Amt auch die Mietkosten nicht mehr.

Die ehemalige Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hatte die Sanktionen bereits in der letzten Legislatur entschärfen wollen, scheiterte damit jedoch an Horst Seehofer. Via »Bild am Sonntag« ließ der CSU-Chef im September 2014 der Ministerin ausrichten, dass er persönlich die geplanten Erleichterungen stoppen werde. »Das Verwässern der Sanktionen bei Drückebergern wird die CSU verhindern«, so Seehofer.

Andrea Nahles meldete sich dann auch am Donnerstag zu Wort: »Verschärfte Sanktionen für junge Menschen sind keinesfalls sinnvoll«, sagte die SPD-Fraktionschefin der »Frankfurter Rundschau«.

Auch die Fachwelt hat erhebliche Zweifel am Nutzen des strengen Sanktionsregimes für junge Menschen. Selbst das IAB-Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit warnte in einer Studie aus dem Jahr 2017 vor »unerwünschten Nebenwirkungen« der Sanktionen, »da der Anreiz zum Rückzug aus dem Arbeitsmarkt zunimmt«. Auf diese Weise verlieren die Jobcenter pro Jahr mehrere tausend Jugendliche. Nicht wenige von ihnen enden auf der Straße.

Das IAB schreibt aber auch, dass die Sanktionen bei vielen zur gewünschten Verhaltensänderung führten. Demnach würden »die Abgangsraten in Beschäftigung bei unter 25-jährigen sanktionierten Hartz-IV-Empfängern höher ausfallen als bei einer Vergleichsgruppe ohne Sanktionen«. Allerdings sei ihr Lohn »bei einer Beschäftigungsaufnahme im Durchschnitt geringer als bei den Nicht-Sanktionierten«. Sprich: In ihrer Not nehmen die Jugendlichen jeden noch so mies bezahlten Job an.

Die ehemalige Jobcenter-Mitarbeiterin Inge Hannemann, die für die LINKE in der Hamburger Bürgerschaft saß, verweist darauf, dass die Jobsuche aufgrund von Sanktionen »unter Druck und Existenzängsten« stattfinde. »Berufliche Freiheit sieht anders aus«, so Hannemann.

Was sagt die Partei dazu, die in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder angetreten war, um die Freiheit zu verteidigen? Unionsfraktionsvize Hermann Gröhe (CDU) zeigte sich unversöhnlich: »Wir halten an den Sanktionen im Sozialgesetzbuch II fest.« Wer die Solidarität der Gemeinschaft zur Sicherung seiner Lebenshaltungskosten in Anspruch nehme, habe die Verpflichtung zur Mitwirkung, sagte der frühere Gesundheitsminister der »Rheinischen Post« vom Donnerstag.

Da liegen Union und SPD auf gleicher Wellenlänge. Denn am Prinzip des »Forderns und Förderns«, das die SPD einst eingeführt hatte, will auch Andrea Nahles nicht rütteln. Sie wandte sich in der »Rundschau« denn auch gegen »eine generelle Abschaffung von Sanktionen«. Auch Hubertus Heil findet Kürzungen »grundsätzlich« in Ordnung, weil die Gesellschaft für Unterstützung eine Gegenleistung erwarten könne.

In dem ganzseitigen Interview mit der »Zeit« sendet der Minister widersprüchliche Signale. Einerseits diktierte er den Redakteuren, »dass die Qualität eines Sozialstaats sich nicht allein an der Frage bemisst, wie viel Geld ausgegeben wird«. Andererseits gesteht er Hartz-IV-Beziehern zu, dass man mit dem monatlichen Regelsatz von 416 Euro nur schwer über die Runden kommt. »Ich schaue mir das an, was wir bei den Grundsicherungssätzen tun können«, verspricht er dann, ohne konkret zu werden. Die »Zeit« meldete daraufhin euphorisch: »Heil stellt Erhöhung von Hartz IV in Aussicht.« Eine mutige Interpretation seiner Worte. Kommentar Seite 4

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