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Venezuela spaltet den Kontinent
Beim Amerika-Gipfel treffen Fürsprecher von Caracas auf erbitterte Kritiker
Zum Ende der Plenarsitzung des VIII. Amerika-Gipfels der OAS in Lima gerieten die USA und Kuba doch noch verbal aneinander. US-Vizepräsident Mike Pence hatte in seiner Rede hart gegen Kuba und Venezuela ausgeteilt. Kuba sei eine Diktatur. »Während wir hier reden, lässt das kommunistische Castro-Regime seine Leute verarmen, indem es die grundlegendsten Rechte in Kuba verweigert.« Zu allem Überfluss exportiere Kuba sein Modell. Venezuela sei heute ein »gescheiterter Staat«. »Die USA werden nicht mit verschränkten Armen zusehen, wie Venezuela zusammenbricht«, so Pence. Sein Land sei entschlossen, »die volle Macht unserer diplomatischen und wirtschaftlichen Macht einzusetzen, bis in Venezuela die Freiheiten und die Demokratie wieder hergestellt sind«.
Eigentlich war der US-Vizepräsident als letzter Redner der versammelten Vertreter von 33 Staaten der Region vorgesehen. Doch danach bat Kubas Außenminister Bruno Rodríguez - Kubas Präsident Raúl Castro hatte seine Teilnahme in letzter Minute abgesagt - noch einmal um das Wort. Er warf dem US-Vizepräsidenten vor, die Realität nicht zu kennen. Auch sei es undemokratisch, Venezuela anzugreifen, wenn Präsident Nicolás Maduro ausgeladen wurde und sich deshalb hier nicht verteidigen könne. Überhaupt mit welcher moralischen Legitimation würden die USA anderen Lektionen erteilen wollen? »Alle despotischen Regime der Region wurden von den USA eingesetzt oder von den USA unterstützt, darunter die brutalsten Militärregime.«
Bereits in seiner vorherigen Wortmeldung zu Kuba, hatte Rodríguez das »Recht Venezuelas, frei über seine Zukunft entscheiden zu dürfen«, verteidigt. Zugleich bekräftigte er die Bereitschaft seiner Regierung, die Beziehungen zu den USA zu verbessern, aber »Kuba wird keine Drohungen oder Erpressung der USA akzeptieren, Kuba wünscht keine Konfrontation, aber es wird weder seine inneren Angelegenheiten verhandeln, noch einen Zentimeter zurückweichen.«
Während des Gipfels wurde deutlich, dass sich die Machtverhältnisse auf dem Kontinent verschoben haben. Das zeigte sich vor allem an der Debatte zu Venezuela. Mehrere Präsidenten, so Argentiniens Mauricio Macri, Chiles Sebastián Piñera oder Kolumbiens Juan Manuel Santos, kündigten an, das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen in Venezuela vom 20. Mai nicht anzuerkennen, da es sich nicht um demokratische Wahlen handele. Kanadas Premierminister Justin Trudeau wiederum sagte: »Die Verletzung der Menschenrechte und der Mangel an Respekt für die Rechtsstaatlichkeit durch die venezolanische Regierung sind völlig inakzeptabel.« Kuba und Bolivien dagegen nahmen Venezuela in Schutz. Boliviens Präsident Evo Morales bedauerte, dass Venezuela aufgrund des Drucks der USA ausgeladen wurde. »Bolivien verurteilt die Invasionsdrohungen der USA gegen Venezuelas«, sagte er.
Das andere große Thema des Gipfels war Korruption. Ausgerechnet Peru als Schauplatz eines Gipfels zum Thema Korruption mutete dabei fast schon surreal an. Der Gastgeber, Perus Präsident Martín Vizcarra, war erst vor drei Wochen ins Amt gelangt, da der bisherige Präsident, Pedro Pablo Kuczynski, wegen Korruptionsvorwürfen zurücktrat. Fast schon zynisch erscheint es, wenn Brasiliens de-Facto-Präsident, Michel Temer, die brasilianische Erfahrung im »Kampf gegen Korruption« hervorhebt. Er selbst hat wegen Korruption sein passives Wahlrecht für acht Jahre verwirkt. Unter Korruptionsverdacht stehen auch Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto und eine Reihe anderer amtierender und ehemaliger Staatschefs.
Angesichts dessen forderte Boliviens Evo Morales, das kapitalistische System zu bekämpfen, das der wahre Ursprung von Korruption ist. »Wenn wir Steueroasen, ohne Kontrollen für transnationale Konzerne, nicht beseitigen, wenn das Finanzsystem, das die Anhäufung von Reichtum fördert, nicht verändert wird, wenn wir das Bankgeheimnis nicht abschaffen, bringt es nichts. Der Kapitalismus ist der schlimmste Feind der Menschheit und des Planeten. Früher haben sie den Vorwand des Kampfes gegen den Kommunismus benutzt, heute nutzen die den Kampf gegen die Korruption dazu, demokratische Regierungen zu stürzen«, so Morales in Anspielung auf die Verhaftung von Ex-Präsident Lula in Brasilien.
Immerhin gab es erstmals seit 13 Jahren wieder eine gemeinsame Erklärung auf einem Amerika-Gifel. Die Übereinkunft von Lima »Demokratische Regierungsführung gegen Korruption« wurde per Akklamation angenommen. Das 57-Punkte-Papier enthält Maßnahmen zum Schutz von Informanten und Menschrechten, zur Rolle des Privatsektors im Kampf gegen Korruption, zur Finanzierung von politischen Parteien und Wahlkämpfen, zu Transparenz bei öffentlichen Bauvorhaben und staatlichen Aufträgen, zur internationalen Zusammenarbeit von Ermittlern. Mehr Gemeinsamkeit war nicht und Papier ist bekanntlich geduldig.
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