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»Unsere derzeitigen Obersten …
Kathrin Gerlof über die scheinbar endlosen Merkel-Jahre und einen diesbezüglich interessanten Fund auf Rügen
… werden eher untergehen, als an einem antiken Eigentumsproblem im Römischen Recht etwas zu verändern, das nie jemand anderem diente als den Senatoren selbst und bis heute die Grundlage des BGB bildet.« BGB ist unser Bürgerliches Gesetzbuch, die Bibel der Konfessionslosen, und der das schrieb in der schönen Flugschrift »Sag alles ab«, gehört zu den Karriereverweigerern des Hauses Bartleby und heißt Anselm Lenz, was ein schöner Name ist.
Von Untergang kann hierzulande tatsächlich keine Rede sein, wir sind im Aufwind und finden angesichts des allgemeinen und internationalen Rechtsdralls, dass wir mit unserer Regierung das mindestens kleinere Übel gewählt haben. Noch beschäftigt sich die AfD mit der rituellen Schlachtung von Nutztieren, der Ausstattung der Panzerlehrbrigade 9, der Frage, wie viele Fluggäste den Sicherheitsscanner mit Kopfbedeckung passieren durften und ob ein höheres Risiko für die Luftsicherheit im Schengen-Raum besteht, »wenn während der Sicherheitskontrolle der Kopfbereich ganz oder teilweise (zum Beispiel Haarbereich) durch Textilien (zum Beispiel Basecap, Kopftuch, Burka, Chimar, Hidschab, Niqab, Tschador, Dastar oder Turban) bedeckt ist«. Sie haben Perücke, Narrenkappe und Dreispitz in der Aufzählung vergessen, aber das lernen sie auch noch.
Lange Rede: Die AfD wird sich hocharbeiten und professionalisieren, was die Sehnsucht nach verlässlicher Kontinuität und Stetigkeit einer Regierung verstärken könnte, die zwar nicht dafür bekannt ist, dass sie Probleme löst, von der aber auch nicht zu befürchten ist, dass sie zum Beispiel die Todesstrafe wieder einführt oder mit einer Diktatur liebäugelt. Wir sollten bescheiden in unseren Ansprüchen sein und sind es auch geworden.
Nun ist uns durch einen schönen Zufall ein leuchtendes Beispiel politischer Kontinuität ins kollektive Gedächtnis gerückt. Auf der Insel Rügen haben Archäologen einen Schatz gefunden. Ringschmuck, Münzen und ein Thorshammer (Thor ist der Typ, der für Wetter und Vegetation und somit wahrscheinlich auch für den Klimawandel verantwortlich ist) des legendären Dänenkönigs Blauzahn wurden geborgen. Blauzahn wiederum (der gar keine blauen Zähne hatte) hat volle 77 Jahre gethront und regiert, nämlich von 910 bis 987. Das ist, um mit Thor zu sprechen, der Hammer. Wir sind ja schon nach 13 Jahren Angela Merkel fix und fertig und haben fast völlig die Vorstellung verloren, dass da auch mal jemand anderes regieren könnte. Aber damals waren die Menschen geduldiger und es gab auch noch kein Internet, das die gefühlte Regierungszeiten extrem verlängert.
Harald I. »Blauzahn« Gormson (nicht an dem bescheuerten Beinamen festhalten, das muss ein kluger Mann gewesen sein) war König von Dänemark und Norwegen. Er hat sich immer, sonst wäre das nicht zu schaffen gewesen, die richtigen Verbündeten gesucht und auch seine Feinde sorgsam ausgewählt. Davon ist die jetzige Regierung möglicherweise weit entfernt. Aber was nicht ist, kann noch werden. Er unterstützte Richard den Furchtlosen und erkannte Otto I. an, weil er wusste, dass der ein starker Player auf dem Acker war. Schlecht in der Biografie macht sich, dass Blauzahn sich 960 ausgerechnet am Poppostein taufen ließ, das läse sich heute in einem politischen Lebenslauf irgendwie blöd. Ansonsten aber hat er wohl in seinem Sinne vieles richtig gemacht. Ob es seinen Untertanen und -innen damit gut ging, lässt sich aus der historischen Ferne nicht so recht einschätzen.
Nicht nachahmenswert sind Blauzahns viele Scharmützel und Kriege, doch lässt sich sagen, dass heutige Regierungen auch daraus lernen könnten, wie man ja angeblich überhaupt am besten aus den Fehlern anderer lernt. So könnten wir einfachen Leut’ von Haralds langer Ära mitnehmen, dass politische Zustände - vor allem die, die einer nicht passen - im Zweifelsfall ewig dauern. Es sei denn, man tut was dagegen.
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