Bierflasche
Wenn alle Theorien brüchig werden und die Bewegung schmerzhaft zwischen Alltag und Sachzwang zerrieben wird, liegt sie als Antwort kühl und glatt in der Hand: Entweder einfach nur als Lebensgefühl oder als Distinktionsmerkmal (»Augustiner oder Sternburg?«). Leer getrunken hat sie weitere Verwendung: Mindestens am 1. Mai fliegt sie Jahr für Jahr über den Berliner Lauseplatz und zerspringt auf dem Pflaster, um daran zu erinnern, dass darunter der Strand wartet. Ein paar Punker haben dabei Angst um die Pfoten ihrer Köter (»Ey, die Hunde!«). Während die Bierflasche in der guten alten Zeit in hohem Bogen und in Flammen auf die Staatsmacht flog, knirscht sie jetzt häufig nur noch unter den Sohlen taumeliger MyFest-Besucher. Diese wissen nicht, dass sie mit ihren Plastikbechern - die niemals eine Waffe werden können - über die Scherben der Geschichte wandern. In dieser Umgebung steht man nun als Linker und sieht auf die Kreuzberger Feiermassen und Craftbeer-Läden, in denen sich die kapitalistische Verwertungslogik des Alkohols zeigt. Die Molle in der Hand spiegelt dabei die Welt so, wie sie eben ist: braun und verzerrt. Dann, mit dem letzten Schluck, an ihrem Boden nur noch das Gefühl der schalen Bitterkeit, die sich einstellt, wenn Menschen freundlich nach den acht Cent, die das Flaschenpfand einbringt, fragen müssen. Na dann: Prost. chw
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.