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Von Minderheiten und Migranten

Der »Bund der Vertriebenen« diskutiert über eine Namensänderung

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.

Manchmal ist es schade, dass man nicht überall sein kann. Gerne hätte man etwa am Dienstag dem Jahresempfang des Bundes der Vertriebenen (BdV) beigewohnt - zumindest für den Moment, in dem die Bundeskanzlerin bei ihrem Auftritt eine Verbindung herstellte zwischen Flucht, Vertreibung und Aussiedlung Deutschstämmiger infolge des Zweiten Weltkriegs und den gegenwärtigen Fluchtbewegungen nach Deutschland: Gerade Vertriebene wüssten, wie schwierig es sei, Heimat zu verlieren und sich ein neues Zuhause aufzubauen, sagte sie. Das Mienenspiel im Publikum wäre sehenswert gewesen.

Der noch immer stark steuersubventionierte Verband, der »Vertreibung« im Namen führt, muss sich ja dringend neu erfinden: Die Zahl derer, die selbst aus den ehemaligen Ostgebieten flohen und vertrieben oder ausgesiedelt wurden, sinkt rapide - und damit auch die Rechtfertigung der noch immer erheblichen Förderung aus Steuermitteln.

Tatsächlich scheint sich ein Bewusstsein für diese Lage im Verband allmählich durchzusetzen. Nach dem Jahresempfang hat BdV-Präsident Bernd Fabritius gegenüber der »Welt« bekannt gegeben, er habe eine Diskussion über eine Veränderung oder Erweiterung des Namens der Organisation angestoßen - die Aufgaben hätten sich weiterentwickelt.

Läge es nun nicht wirklich nahe, sich neben den sogenannten Spätaussiedlern aus Russland und Osteuropa auch um die Geflüchteten von heute zu kümmern? Unterscheiden sich Spätaussiedler aus Russland und Geflüchtete aus Syrien wirklich so kategorisch, dass man hierbei keinen Beitrag leisten könnte? Wie wäre es also mit einem »Bund der Vertriebenen und Geflüchteten« (BdVG)?

Tatsächlich haben »die Vertriebenen« die neuen Fluchtbewegungen nicht gänzlich ignoriert. Im vergangenen Jahr veranstaltete der BdV in Kooperation mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege zum Beispiel einen Fachkongress, auf dem ein Austausch über Wege der »Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer« stattfand, im Fachjargon MBE. Und jüngst hat Fabritius tatsächlich erklärt, das Interesse am Thema Flucht und Vertreibung sei angesichts der aktuellen Fluchtbewegungen »ganz eindeutig gewachsen«.

Doch wirkt der Vorschlag, der Vertriebenenverband könne sich nachhaltig in der Flüchtlingsarbeit einbringen, im Allgemeinen wie ein schlechter Witz. Es mag zwar sein, dass im Verband der Zentralbegriff »Heimat« heute nicht mehr überwiegend im Sinn eines politischen Revanchismus verstanden wird. Doch will man sich die Heimat weit überwiegend nicht von noch später Zugezogenen nehmen lassen. Dass dieser Zusammenhang bis heute so »natürlich« wirkt, verweist auf eine lange Geschichte von Versäumnissen.

Was Fabritius dagegen im Sinn hat, ist wohl eine Art »Bund der Vertriebenen und Nationalen Minderheiten«. Dabei hat er vor allem die seinerzeit nicht vertriebenen Deutschen in Polen, Rumänien und Russland im Blick. Diese könnten eine »Chance für die jeweiligen bilateralen Beziehungen« sein. Neu ist daran wenig - im Gegenteil ging der Nachkriegs-BdV personell auch aus älteren Organisationen hervor, die eben diese Minderheiten außenpolitisch zu instrumentalisieren trachteten. Das ist im Ausland präsenter als hier. Wohl deshalb betont Fabritius zugleich, diese seien »ganz loyale Staatsbürger«.

Aber reicht das für eine Neubegründung anno 2018? Seit Kurzem ist Fabritius auch »Beauftragter der Bundesregierung für Nationale Minderheiten«. Das sind in Deutschland »angestammte« Gruppen wie Dänen, Friesen, Sorben und - seit 1995 - Sinti und Roma. Vielleicht kann sich der BdV zumindest dahin gehend erweitern. Auf Letztere zuzugehen, wäre für ihn ein riesiger Schritt.

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