Senat und Bürger auf einer Linie
Kompromiss bei der Straßenführung für die Tangentiale Verbindung Ost gefunden
Für eines der umstrittensten Straßenbauprojekte Berlins scheint ein Kompromiss gefunden, der auch von den betroffenen Anwohnern akzeptiert wird. Der Verlauf des fehlenden Teilstücks der sogenannten Tangentialen Verbindung Ost (TVO), das die Straßenlücke zwischen Marzahn und Köpenick schließen soll, steht weitgehend fest. Am Mittwochabend wurde er den Bürgern auf einer Veranstaltung von SPD, LINKE und Grünen in Biesdorf vorgestellt.
Demnach soll es eine Kombinationslösung zwischen den bisher von den Anwohnern und dem Senat favorisierten Varianten geben, teilte Verkehrsstaatssekretär Holger Kirchner (Grüne) mit.
Die gut sechs Kilometer lange Trasse zwischen der Spindlersfelder Straße im Süden, die seit 2007 fertig ist, und der bereits zu DDR-Zeiten gebauten Märkischen Allee im Norden wird sowohl westlich als auch östlich des Berliner Außenrings der Bahn verlaufen. Anwohner und Verbände hatten vehement für eine westliche Führung gestritten, um Enteignungen und den Abriss von Wohnhäusern zu vermeiden. Der Senat favorisierte lange die Ost-Variante, um weniger Brücken über die Gleise errichten zu müssen und somit Kosten zu sparen.
Nach dem jetzt vorgestellten Kompromiss soll die TVO im südlichen Teil auf der Ostseite der Gleise verlaufen, um dann im Mittelteil etwa an der Lauchhammer Straße auf die Westseite zu schwenken und an der Rückseite des Tierparks vorbei im Norden an die B1/B5 anzudocken. »Das war ein aufwändiges Abwägungsverfahren«, so Kirchner. Das auch noch nicht komplett abgeschlossen ist. Denn der genaue Kreuzungspunkt mit der Bahn stehe noch nicht fest, sagte der Verkehrsstaatssekretär. »Wir müssen das noch mal grundstücksscharf untersuchen.« Mal gebe es mehr Eingriffe in das ökologisch wertvolle Gebiet Biesdorfer Sand, mal in Eigentumsrechte. Man werde aber mit allen Betroffenen umgehend Gespräche aufnehmen, versprach Kirchner.
Laut der Bürgerinitiative Biesdorf-Süd könnten durch eine Verschiebung um 100 Meter nach Süden drei Wohngebäude gerettet werden. Ansonsten ist man in dem Wohngebiet froh, dass durch den Kompromiss viele vom Abriss bedrohte Häuser erhalten bleiben. Entgegengekommen ist der Senat den Bürgern auch damit, dass entgegen den ursprünglichen Planungen auf Anschlussstraßen durch die Siedlungen verzichtet wird, um sie vor mehr Krach und schlechter Luft zu bewahren. Auch der entlang der TVO-Trasse entstehende Lärm macht den Bürgern Sorge. Der Senat will »beidseitig absorbierende Schallschutzwände« errichten, die auch den Bahnlärm nicht reflektieren und so noch verstärken könnten.
Klar wurde am Mittwochabend, dass die TVO von den meisten Bürgern nicht mehr in Frage gestellt wird. Peter Ohm vom Verband Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN), bisher einer der schärfsten Kritiker der Senatsplanungen, hatte sogar Lob und Dank übrig. Dies sei das erste Projekt, das nicht am grünen Tisch geplant werde. Seit 2016 gibt es unter Mitwirkung der Bürger einen Beteiligungsbeirat. Ohm befürchtet eher, dass der Bau »verbummelt« wird. Ursprünglich sollte die Straße schon 2018 fertig sein.
»Die TVO hat oberste Priorität«, versicherte Kirchner, der sich der Ironie, dass ausgerechnet eine von den Grünen geführte Verkehrsverwaltung die Straße bauen wird, bewusst ist. Doch er betont den verkehrlichen Nutzen. »Sie bündelt den Verkehr und entlastet Treskowallee und Köpenicker Straße.« Das seien heute berüchtigte Staufallen, klagen die Anwohner.
Neben dem jahrelangen Streit um die Trasse sorgten diverse Umplanungen für Verzögerungen: Erst sollte es jeweils eine Fahrspur pro Richtung geben, jetzt sind es zwei. Statt eines Radwegs soll parallel ein breiterer Radschnellweg die Straße begleiten, außerdem muss die Trasse für eine künftige Nahverkehrstangente der Bahn freigehalten werden. Mehrfach werden Bahngleise und Straßen gekreuzt, insgesamt zehn Brücken, beispielsweise am S-Bahnhof Wuhlheide und über die U-Bahnlinie 5, sind nötig. Man müsse so sorgfältig wie möglich planen, um alles gerichtsfest zu machen, so Kirchner. 2019 könnte das Planfeststellungsverfahren beginnen, das in der Regel zwei Jahre dauert.
Auf einen Termin, wann die Straße durchgehend befahrbar sein wird, wollte sich am Mittwoch von den Senatsplanern niemand festlegen. Bisher wurde schon von 2026 ausgegangen.
Auch die Kosten stehen noch nicht fest. Senats-Tiefbauschef Lutz Adam schätzt sie auf 155 Millionen Euro.
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