Euro-Reformen in weitere Ferne
Macron steht mit seinen Ideen zu Europa ziemlich allein da. Das hat die vergangene Woche deutlich gezeigt
Schon vor Beginn der vergangenen Woche brauchte es viel Kreativität, um sich auszumalen, wie in der derzeitigen politischen Gemengelage die geplanten großen Reformen der Europäischen Währungsunion aussehen könnten: Frankreich will ein Budget und einen Finanzminister auf Euroebene. Die EU-Kommission will die politische Macht in Brüssel konzentrieren und wehrt sich entsprechend gegen Alleingänge der Euroländer. Gemeinsam wollen beide mehr Investitionen in wirtschaftliche Konvergenz. Dafür wiederum will aber Deutschland nicht zahlen. Und mit Italien, dem dritten großen Euroland, kann seit den letzten Wahlen ohnehin niemand rechnen.
So verwunderte es nicht, dass es nach dem Euro-Gipfel im März keine Ergebnisse zu verkünden gab. Es wirkte schon ambitioniert, dass am Ziel festgehalten wurde, beim nächsten Gipfel im Juni konkrete Entscheidungen zu treffen. Was vor einigen Tagen noch unrealistisch klang, scheint nach den Ereignissen dieser Woche gänzlich unmöglich.
Gleich zu Wochenbeginn wurde eine Tischvorlage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion lanciert, die nicht weniger enthält, als einen Putsch gegen das Europakapitel des Koalitionsvertrages mit der SPD. Die Konservativen wollen die Hürden für den Europäischen Währungsfonds so hoch hängen, dass sie faktisch nicht zu nehmen sind. Kanzlerin Angela Merkel ließ sich auf das Spiel ein, indem sie die Einführung des Fonds mit sehr komplizierten Änderungen der EU-Verträge verknüpfte.
Die SPD zeigte sich zwar verärgert, hatte man doch den neuerlichen Gang in eine GroKo vor allem mit dem wichtigen Impuls für Europa gerechtfertigt, den man durchgesetzt habe. Dass sie der Schnellabwicklung dieses Impulses ernsthaft etwas entgegenzusetzen hat, jetzt wo der Ober-Europäer Martin Schulz nicht mehr an Bord ist und Finanzminister Olaf Scholz als erste Amtshandlung bekannt gab, die Schäuble-Linie fortführen zu wollen, ist jedoch unwahrscheinlich.
Ebenfalls am Dienstag trat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in Straßburg für eine mit Spannung erwartete Rede vor das EU-Parlament. Eine Neubelebung des Macron-Effektes sollte es werden. Der war weitestgehend verpufft, nachdem die im September an der Pariser Sorbonne präsentierten großen Visionen im politischen Hickhack widersprüchlicher nationalstaatlicher Interessen immer kleiner wurden. Die Neubelebung gelang nicht. Im Gegenteil: Keine neuen Vorschläge, keine Schritte, mit denen er einige Partner auf seine Seite ziehen kann. Macron steht auf europäischer Bühne mit seinen Vorschlägen nach der Straßburger Rede genauso alleine da wie zuvor.
Wie weit Paris und Berlin in Fragen der Euro-Politik mittlerweile auseinandergedriftet sind, zeigte sich am Donnerstag beim Staatsbesuch des französischen Präsidenten in Berlin. War vor einigen Monaten noch von einer Neuauflage der deutsch-französischen Achse die Rede, wurden diesmal vor allem die Unterschiede deutlich. Zwar kündigten die beiden Regierungschefs an, noch vor dem EU-Gipfel im Juni gemeinsame Vorschläge einbringen zu wollen. Diese dürften sich allerdings nicht auf die Währungsunion beziehen. Als es um die Wirtschafts- und Finanzpolitik ging, wurden vor allem die Unterschiede betont. Man starte von unterschiedlichen Standpunkten, viel Arbeit sei noch zu tun, gefragt sei Kompromissfähigkeit. Angekündigt wurde für den 19. Juni ein deutsch-französischer Ministerrat mit »wichtigen Ressorts«. Die Finanzressorts werden dabei wohl keine Rolle spielen.
Wenn also beim nächsten Euro-Gipfel Entscheidungen getroffen werden, kann es sich eigentlich nur um ganz kleine Schritte, weitere Zeitpläne oder folgenlose Symbolpolitik handeln. Der große Wurf zur Euro-Stabilisierung ist weiter weg denn je.
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