Botschafterin der Meere

Vor 100 Jahren geboren: die Schriftstellerin und Umweltschützerin Elisabeth Mann Borgese

  • Holger Teschke
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Markt, die sogenannte Marktwirtschaft, kann weder das Problem der Armut noch das Problem des Umweltschutzes lösen.« Das stellte Elisabeth Mann Borgese 1995 in einem Gespräch mit Eberhard Görner fest. »Der Sozialismus, wie wir ihn gekannt haben und wie er sich im 19. Jahrhundert zu formulieren begonnen hat, der kommt nicht wieder. Aber es wird eine neue Art des Sozialismus sein.«

Wer ihre Bücher und Essays gelesen hatte, für den kam diese Überzeugung nicht überraschend. Ihr Vater Thomas Mann sah bereits 1946 im Antikommunismus eine »Grundtorheit der Epoche«. Seiner jüngsten Tochter erschien die Behauptung, dass die auf unbegrenztes Wachstum und Technologiegläubigkeit fixierte Börsen-Demokratie seit 1989 alternativlos sei, als ebenso dumm wie gefährlich. Schließlich hatte diese Marktwirtschaft gegen Ende des 20. Jahrhunderts die globale Umweltzerstörung, die zu immer mehr Bürgerkriegen und Flüchtlingsströmen führte, dramatisch forciert. Deshalb setzte sich Elisabeth Mann Borgese schon seit den sechziger Jahren energisch für den Schutz und die friedliche Nutzung der Weltmeere ein.

Das Meer hatte sie seit früher Kindheit fasziniert. Geboren in München am 24. April 1918 - heute vor 100 Jahren -, führten die Sommerurlaube der Familie sie an die Ostsee, wo Thomas Mann sich 1929 in Nidden auf der Kurischen Nehrung ein Sommerhaus hatte bauen lassen. Auch nach Hitlers Machtergreifung lagen viele Stationen des Exils nahe am Meer: in Sanary-sur-Mer in Frankreich, in Princeton, New Jersey und in Santa Monica in Kalifornien.

Nach dem Tod ihres Ehemanns, des italienischen Schriftstellers und Antifaschisten Antonio Borgese, veröffentlichte sie erste Erzählungen auf englisch. 1968 erschien »The Ocean Regime«, ein Essay zum internationalen Seerecht, der ihr als erster Frau die Türen zum »Club of Rome« öffnete. Sie gründete das »International Ocean Institute« auf Malta, dem bald Institute in Afrika, Asien und Südamerika folgten. 1975 erschien ihr Buch »The Drama of the Oceans«, das zwei Jahre später ins Deutsche übersetzt und zum Bestseller wurde.

1978 begann ihre Lehrtätigkeit an der Dalhousie University im kanadischen Halifax, wo sie sich ein Haus mit Blick aufs Meer kaufte. Sie wirkte am Internationalen Seerechts-Übereinkommen der Vereinten Nationen mit und betrieb mit List und Nachdruck die Gründung des Internationalen Seegerichtshofes in Hamburg. In den neunziger Jahren regte sie die Gründung der Zeitschrift »mare« an, die ihr ehemaliger Student Nikolaus Gelpke seit 1997 als Verleger und Chefredakteur leitet.

Dem deutschen Fernsehpublikum wurde Elisabeth Mann Borgese erst 2001 bekannt, als sie in Heinrich Breloers »Die Manns - Ein Jahrhundertroman« als ebenso sachkundige wie humorvolle Zeitzeugin auftrat. Ein Jahr später starb sie während eines Skiurlaubs in St. Moritz, mit 83 Jahren noch immer voller Pläne und Ideen für die Rettung der Meere und für neue Bücher. Das Leibniz-Institut für Ostseeforschung hat 2011 ein Forschungsschiff auf ihren Namen getauft und die Deutsche Post zu ihrem 100. Geburtstag eine Briefmarke mit einem Zitat aus ihrem Vermächtnis herausgegeben: »Wir müssen die Ozeane retten, wenn wir uns selber retten wollen.«

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