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Kapitalismus auf Koks
Für Alberto Acosta kann das brutale, ungerechte Milliardengeschäft des Drogenhandels durch Legalisierung ausgetrocknet werden
Der Drogenhandel ist so global wie der Kapitalismus. Als kriminelles Phänomen erschüttert er Gesellschaften, Volkswirtschaften und Demokratien weltweit. Die Reichweite seiner Schäden zwingt uns dazu, diese historische Herausforderung mit voller Verantwortung anzunehmen. Denn unsere Zukunft der nächsten Jahrzehnte hängt in großem Maße von den Entscheidungen der Gegenwart ab. Es stellt sich die Frage, ob wir weiter den Schrecken der Gewalt leben wollen, wo sich mächtige kriminelle Gruppen in einst sicher gedachten Gebieten bekämpfen. Oder ob wir demokratische, freie, gleiche und gleichberechtigte Gesellschaften aufbauen wollen.
Die Besonderheiten einer jeden Form der direkten Gewalt können wir nicht verstehen, wenn wir ihre strukturelle Essenz beiseite lassen. Das ist eine Gefahr. Denn damit wird verhindert, dass im Kampf gegen alle Formen der Gewalt – sei es Menschenhandel, Kriegs- und Waffengeschäfte, Kinderpornographie, organisiertes Verbrechen, soziale Ungerechtigkeit und Ungleichheit – die richtigen Antworten gefunden werden. Auch die brutale Zerstörung, die der Extraktivismus den Gemeinden und der Natur zufügt, sind Ausdruck struktureller Gewalt.
Der Drogenhandel ist so global wie der Kapitalismus, weil einer seiner wichtigsten Antriebskräfte die ungehemmte Nachfrage nach Kapitalakkumulation ist. Eine Nachfrage, die von globalen Wertschöpfungsketten genährt wird, wobei die armen Länder die Rolle der Drogenproduzenten innehaben. Hier gibt es auch die meisten Toten im (Anti-)Drogenkampf. In den reichen Länder wird das Drogengeschäft mit der anhaltend hohen Nachfrage am Leben erhalten und dem Angebot. Außerdem treiben sie die Produktivität in die Höhe. Ungerechterweise wird der Großteil des Gewinns aus dem Drogengeschäft in den reichen Konsumentenländern gemacht, wie ein Blick auf die Differenz zwischen Produktionskosten und Endpreis zeigt.
Die Vereinten Nationen rechnen vor, wieviel Geld mit Drogen umgesetzt wird: Für die Herstellung von einem Kilo Kokain-Hydrochlorid braucht man 450 bis 600 Kilo Koka-Blätter. Ein Koka-Bauer erhält etwa 1,30 US-Dollar pro Kilo. Damit kostet das Kilo Kokain-Hydrochlorid zwischen 558 und 780 US-Dollar. Im Dschungel wird das Kilo für 2700 US-Dollar verkauft, am Hafen verdreifacht sich der Preis. In Mittelamerika kostet das Kilo dann schon bis zu 10.000 Dollar. An der Grenze von Mexiko zu den USA sind es 15.000 Dollar. In den USA wird das Kilo dann für 27.000 Dollar und mehr weiterverkauft (wobei sich das Kilo auf dem Weg durch chemisches Strecken verdoppelt hat).
Nimmt man den Straßenpreis von 2010, so beträgt der Preis für ein Gramm Koks in den Vereinigten Staaten 165 Dollar, jedes Kilo also 165.000 Dollar. Aus einem Kilo Koksbase werden also zwei Kilo Kokain im Wert von 330.000 Dollar, und das bei Produktionskosten von nur 558 bis 780 Dollar.
Im Fall von Kokain bleibt nur ein Prozent der Einnahmen bei den Produzenten in den Andenländern, die Drogendealer in den Konsumentenländern aber behalten rund 65 Prozent. Neun Prozent bleiben in den Transitländern in Richtung Europa und Nordamerika. Und natürlich ist die Rentabilität des Drogenhandels um ein Vielfaches höher als bei legalen Geschäften. Bezahlt ein Kaffeetrinker das Fünffache für die Bohne bei sich an der Tür der Kaffee-Hazienda, so ist es beim Heroin das 150-Fache.
Der Drogenhandel agiert also, wie viele Firmen im Kapitalismus, wie ein globaler multinationaler Konzern. Die Drogen-Milliarden fließen in Dollar in die reguläre Ökonomie, über Steuerparadiese und das Finanzsystem. Der Krieg gegen Drogen der Vereinigten Staaten in den Produzentenländern sorgt für viele Tote in Südamerika und ist gescheitert. Es muss also über Alternativen nachgedacht werden. Denkbar ist etwa eine verantwortungsvolle Legalisierung der illegalen Substanzen, unterstützt durch eine medizinische Begleitung beim Konsum.
Es müssen aber auch die Gründe für den Drogenkonsum angegangen werden, all diese Frustrationen und die Verbitterung, die in den Gesellschaften der Fettleibigkeit und Verschwendung herrschen. Denn erinnern wir uns einmal mehr daran, dass der Warenfetisch des Kapitalismus versucht die Wirklichkeit zu kaschieren. Dabei bedeutet ein höheres Einkommen nicht immer gleich mehr Glück, sondern oft das Gegenteil: Es kann einen unstillbaren Durst nach Macht auslösen. Darum muss der Drogenhandel an seiner Wurzel gepackt werden. Und das ist der Kapitalismus.
Übersetzung: Benjamin Beutler
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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