Im Emsland gehen die Uhren anders

Niedersachsen: Auch zweieinhalb Jahre nach dem Crash an der wichtigen Friesenbrücke über die Ems gibt es vor Ort noch nicht einmal eine Behelfsfähre

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Wer sich auf einen Pfingstausflug mit der Fähre gefreut hat, die zu jenem Fest erstmals zwischen Weener und Westoverledingen über die Ems schippern sollte, wird enttäuscht sein. Wohl erst von Ende Juni an wird der schwimmende Ersatz für die zerstörte Friesenbrücke die beiden ostfriesischen Ufer verbinden.

Vor allem die Pendler sind sauer über die erneute Verzögerung. Doch Terminverschiebungen und Verteuerungen prägen den Weg zu einer neuen Brücke. Die alte Brücke, 1926 für Eisenbahn, Fußgänger und Radler gebaut, war am 3. Dezember 2015 von einem Frachtschiff gerammt und schwer beschädigt worden. Zwei Alternativen standen danach im Raum: eine sehr aufwendige Reparatur oder ein Neubau für rund 50 Millionen Euro.

Nach langer Diskussion entschieden sich die zuständigen Stellen für einen Neubau. Dann aber galt es, eine neue Frage zu klären: Klapp- oder Schwenkbrücke. Die alte Überquerung wurde immer dann, wenn ein Schiff nahte, hochgeklappt. Allerdings ließ sie sich nicht so weit öffnen, dass die Kreuzfahrtschiffe der Meyer-Werft aus dem 15 Kilometer entfernten Papenburg hindurch passten. Das hieß: Immer wenn ein solcher Riese kam, musste der Klappteil mit einem Kran ausgehängt werden.

Diese Prozedur ist bei einer Schwenkbrücke, die bei Bedarf zur Seite bewegt wird, nicht erforderlich. Und so verkündete das Bundesverkehrsministerium im August 2017: Eine solche Version wird verwirklicht und soll ab Herbst 2024 befahr- und begehbar sein. Bis dahin sollten die früheren Brückennutzer, die zurzeit lange Umwege hinnehmen müssen, per Fähre über den Fluss kommen, erstmals zu Pfingsten 2017. Doch der Kreis Leer hatte Einwände gegen eine Fähre mit Benzinmotor - wegen Brandgefahr. Auch waren behördliche Angelegenheiten zum Bau der Anleger noch nicht geklärt. Wieder gingen Monate ins Ostfriesenland, Ende Januar 2018 aber war zu hören: Zu Pfingsten dieses Jahres startet der Fährbetrieb!

Er startet nicht. Das Fährschiff sei noch nicht ganz fertig, heißt es jetzt aus der Meyer-Werft. Und bürokratische Hindernisse gebe es auch. Die Kreisverwaltung indes vermisst noch statische Berechnungen für die Anleger. Vermutlich, so war zu erfahren, wird die Fähre erst Ende Juni dieses Jahres ablegen.

Verzögern könnte sich auch der Bau der neuen Brücke, befürchtet Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU). »Ich bin gespannt, ob 2024 gehalten werden kann, weil derzeit über eine Neubewertung der gesamten Baumaßnahme nachgedacht wird«, sagte der Politiker gegenüber der »Neuen Osnabrücker Zeitung«. Die Sache gestalte sich schwierig, dal die Schwenkbrücke nach einem neuen Standard gebaut werden solle und das ganze Planverfahren deshalb wahrscheinlich länger dauere als vorgesehen, schätzt Althusmann.

Die Deutsche Bahn jedoch geht davon aus, dass 2024 die ersten Züge über die neue Brücke rollen. Aber das Bauwerk wird nun, bedingt durch die Entscheidung für eine Drehversion, teurer werden als 50 Millionen Euro. Eine Zahl nennt die Bahn nicht, spricht aber von einem »hohen zweistelligen Millionenbetrag«.

Voraussichtlich wird der Bund, der zunächst 15 Millionen Euro in Aussicht gestellt hatte, mehr Geld für das Projekt bewilligen. Das Land Niedersachsen hat dafür fünf Millionen zugesagt. Von der Versicherung des Frachters, der die alte Brücke zerstörte, werden vier Millionen Euro erwartet - und von der Bahn ein noch nicht benannter Betrag.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.