Oettinger will Brexit-Lücke schließen
Deutschland zu Mehrausgaben für EU-Haushalt bereit / Auch Bundeskabinett beschließt Finanzplan
Berlin. Für den EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger ist es das vielleicht wichtigste Papier seiner Amtszeit in Brüssel. Alle 28 EU-Länder hatte er in den vergangenen Monaten besucht, um einen Kompromiss für die Finanzierung der Europäischen Union zu finden. Nach dem Ausscheiden Großbritanniens aus der Union ist dies nicht leichter geworden. Am Mittwoch beschloss die EU-Kommission schließlich seinen Vorschlag für einen Finanzplan, der die Jahre von 2021 bis 2027 betrifft. In diesem siebenjährigen Zeitraum sieht Oettinger ein Haushaltsvolumen von 1087 Milliarden Euro vor. Wegen des Brexits sowie höheren Ausgaben für Migration und Militär plant er mit Kürzungen bei den Fördergeldern für Bauern und regionalen Strukturhilfen.
Von Deutschland fordert die EU-Kommission im nächsten Jahrzehnt elf bis zwölf Milliarden Euro pro Jahr mehr an Einzahlungen. Die Bundesregierung zeigte sich als größter Nettozahler in die Union im Gegensatz zu Österreich generell dazu bereit, höhere Beiträge an den EU-Haushalt zu entrichten. Sie hält derzeit Mehrausgaben in Höhe von zehn Milliarden Euro pro Jahr für realistisch. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte, dass die Verteilung der EU-Gelder an strukturschwache Regionen »künftig auch das Engagement bei der Aufnahme und Integration von Migranten widerspiegeln« sollte. Ob dieser Vorschlag angenommen wird, ist ungewiss. Wenn er als finanzieller Ausgleich für Länder wahrgenommen wird, die Geflüchtete aufnehmen, vielleicht; sollte er aber als Bestrafung aufgenommen werden, wohl eher nicht.
Auch das Berliner Bundeskabinett hat seinen Haushaltsentwurf für das laufende Jahr gebilligt. Die am Mittwoch beschlossene Vorlage von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sieht in diesem Jahr Ausgaben und Einnahmen von jeweils 341 Milliarden Euro vor. Die Politik der »schwarzen Null« wird also fortgesetzt. Gegenüber dem Vorjahr steigen die Ausgaben um 3,1 Prozent. Durch die verzögerte Regierungsbildung nach der Bundestagswahl war diese nachträgliche Beratung notwendig geworden. Außerdem billigte das Kabinett auch die Eckwerte für 2019, die Einnahmen und Ausgaben von jeweils 356,1 Milliarden Euro vorsieht, sowie den Finanzplan bis 2022.
Auffallend an den Planungen ist, dass trotz steigenden Steuereinnahmen und eines anhaltenden Wirtschaftswachstums der Bund mittelfristig die öffentlichen Investitionen zurückfahren will. Die Ausgaben hierfür sollen laut dem Scholz-Entwurf im kommenden Jahr auf 37,9 Milliarden Euro leicht ansteigen, bis 2022 aber auf 33,5 Milliarden Euro sinken. Dieser Rückgang der Investitionen hänge teilweise mit der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen zusammen, hieß es.
Um den Bundeshaushalt wird seit Tagen heftig gerungen. Neben Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) pocht auch Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) auf einen höheren Etat. Agenturen/nd Seite 6
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