Druck auf die Elite
Knapp acht Wochen vor den Präsidentschaftswahlen in Mexiko dreht sich alles um den Kandidaten der Linken
Ein mögliches Zusammengehen der Zweit- und Drittplatzierten der Wahlumfragen beherrscht derzeit den mexikanischen Wahlkampf. Knapp zwei Monate vor den Präsidentschaftswahlen hat der Kandidat einer Rechts-Links-Allianz, Ricardo Anaya (PAN), dies indirekt ins Spiel gebracht und damit für gehörigen Wirbel gesorgt. Die wirtschaftliche und politische Elite Mexikos befürchtet nämlich einen Wahlsieg von Andrés Manuel López Obrador, kurz AMLO, von der linken Nationalen Erneuerungsbewegung (Morena). Da scheint keine Idee zu abwegig.
Bei einer Veranstaltung mit den Mitgliedern des Finanzinstituts Citibanamex war Anaya in der vergangenen Woche gefragt worden, ob er bereit sei, mit dem nicht mehr antretenden Präsidenten Enrique Peña Nieto (PRI) eine hypothetische Allianz zu verhandeln. »Ich bin absolut offen, mit denjenigen etwas aufzubauen, mit denen etwas aufgebaut werden muss, um diese Wahl zu gewinnen und dem Land eine Zukunft zu geben«, so die Antwort des PAN-Kandidaten. Zahlreiche Reaktionen verwiesen daraufhin auf den Widerspruch zu Anayas früherem Versprechen, Peña Nieto ins Gefängnis zu stecken, sollte diesem Korruption nachgewiesen werden. AMLO sah sich dadurch bestätigt in seiner wiederholten Warnung, es gebe eine politische Gruppe in Mexiko, die alles unternehmen werde, seinen Wahlsieg zu verhindern.
Anaya war ob des gewaltigen Echos - auch in den Medien - in den Tagen darauf zurückgerudert. »Unter keinen Umständen wäre ich bereit, einen Pakt auf Führungsebene zu schließen, weder mit ihm [Peña Nieto, Anm. d. Red.], noch mit den Parteichefs oder den Kandidaten. Ich möchte einen tief greifenden Wandel für Mexiko, der den Pakt der Straffreiheit bricht. Ich glaube nicht an Spitzenvereinbarungen - ja zur ›nützlichen Stimme‹«. Damit wolle er all jene ansprechen, die Andrés Manuel López Obrador als Präsidenten zu verhindern suchen, unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit. Neu war daran jedoch, dass er erstmals von möglichen Verbündeten innerhalb der PRI sprach, die er in den vergangenen Monaten noch bei jeder Gelegenheit angegriffen hatte. Aber Anaya weiß auch, dass Präsidentschaftswahlen in Mexiko in der Regel Zweikämpfe sind und er Stimmen aus dem Lager der anderen Kandidaten braucht, um AMLO den Wahlsieg streitig zu machen.
Sowohl der Kandidat der regierenden PRI, José Antonio Meade, als auch die als Unabhängige ins Rennen gegangene frühere First Lady Margarita Zavala (Ex-PAN) lehnten Anayas Vorstoß ab. Vor der nützlichen Stimme gebe es »eine Stimme des Gewissens und des Gegensatzes zu den Vorschlägen« AMLOs, so Zavala. Meades Sprecher, der frühere Arbeitsminister Javier Lozano, in einem Radiointerview: »Es kann keine nützliche Stimme für einen Nichtsnutz geben.« Gleichzeitig räumte Lozano ein, dass es unter den Eliten des Landes starken Druck gebe, eine »Anti-López Obrador«-Front zu bilden, in der Art, dass der Rest der Kandidaten zugunsten von Anaya zurücktritt. Meade und Zavala liegen in allen Wahlumfragen abgeschlagen auf Platz drei und vier; aber auch der zweitplatzierte Anaya hat jeweils zwischen 15 und 20 Punkten Rückstand auf López Obrador. Das erklärt die allgemeine Nervosität.
Zumal alle Vorstöße gegen AMLO bisher ins Leere gelaufen sind. Der unterlegene Kandidat der Linken bei den Präsidentschaftswahlen 2006 und 2012 werde aus Mexiko ein zweites Venezuela machen, heißt es immer wieder. Das erinnert an die Kampagne »López Obrador ... eine Gefahr für Mexiko« aus dem Präsidentschaftswahlkampf 2006, verfängt aber heute weniger als noch vor zwölf Jahren. Zudem genehmigte das der PRI nahestehende Wahlgericht der Bundesjustiz die Zulassung des unabhängigen Kandidaten Jaime Rodríguez Calderón alias »El Bronco« - trotz fast einer Million gefälschter Unterschriften und seiner Ablehnung durch die Nationale Wahlbehörde. Doch die erhoffte Wirkung, AMLO Stimmen abzujagen, blieb aus. Aber noch sind es knapp acht Wochen bis zu den Wahlen. Und in der Vergangenheit hat sich Mexikos Elite stets als kreativ erwiesen, wenn es darum ging, einen der Ihren ins Ziel zu bringen.
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