Wieder einmal eine historische SPD-Niederlage

Sozialdemokraten stürzen bei Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein ab. Nur die kleineren Parteien legen zu

  • Dieter Hanisch, Kiel
  • Lesedauer: 3 Min.

Ralf Stegner hat drei zentrale Ursachen für den Negativrekord seiner SPD bei den Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein ausgemacht. Zum einen sah der Landespartei- und Fraktionschef im Kieler Landtag Gegenwind durch den Bundestrend. Derzeit liegt die SPD in bundesweiten Umfragen unter 20 Prozent. Zudem sind die Schleswig-Holsteiner laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts infratest dimap ein Jahr nach dem Regierungswechsel äußerst zufrieden mit der schwarz-grün-gelben Landesregierung. Auch die mäßige Wahlbeteiligung von 47,1 Prozent war für die Sozialdemokraten nach eigenem Bekunden nicht gerade hilfreich.

Die CDU hat hingegen landesweit wieder die meisten Stimmen gesammelt. Doch für Euphorie besteht in den Reihen der Konservativen eigentlich kein Anlass. Denn ihre 35,1 Prozent bedeuten das historisch schlechteste Ergebnis der CDU bei Kommunalwahlen im Norden. Ministerpräsident Daniel Günther war trotzdem zufrieden. Er konnte nämlich den Abstand zur zweitstärksten Kraft SPD (23,3 Prozent) ausbauen. Bei der Bundestagswahl im September lag die SPD auch bei 23,3 Prozent, die CDU war 10,7 Prozentpunkte besser. Bei den Kommunalwahlen 2013 erreichten die Konservativen noch 38,9 und die Sozialdemokraten 29,8 Prozent.

Simone Lange, SPD-Oberbürgermeisterin in Flensburg, forderte noch am Wahlabend, ihre Landespartei möge sich so weit verändern, dass es bei Kommunalwahlen wieder zu weitaus besseren Resultaten kommt. Stegners Nachfolge will die Frau, die kürzlich bei der Wahl zur SPD-Bundeschefin der Favoritin Andrea Nahles unterlag, jedoch nicht antreten. Ein Platz im Landesvorstand würde ihr reichen. Das Gremium wird im April turnusmäßig neu gewählt.

Nur in Kiel und Lübeck verteidigte die SPD ihre Mehrheit in den Rathäusern. In vielen Städten zwischen Nord- und Ostsee hat die CDU die SPD als stärkste Partei abgelöst. Das gilt etwa für Heide, Brunsbüttel, Lauenburg, Schwarzenbek, Preetz, Ratekau, Wedel, Elmshorn, Rendsburg, Schleswig und Glinde. In Glückstadt verlor die SPD 16,2 Prozentpunkte gegenüber dem Jahr 2013. Doch auch die CDU-Pfründe sind geschrumpft. In Norderstedt verlor die Partei sogar 12,2 Prozentpunkte. Dennoch ist sie in elf Kreistagen und in Flensburg sowie Neumünster die stärkste Kraft.

Wo es Verlierer gibt, sind auch Gewinner auszumachen. Die Grünen setzten im Landesverband ihres Bundeschefs Robert Habeck ihre Erfolgsserie fort. Sie kletterten von 13,7 auf 16,5 Prozent. In Flensburg kam die bürgerliche Ökopartei zwar hinter der CDU, aber noch vor der SPD über die Ziellinie. Das passierte auch in Halstenbek, Ahrensburg, Reinbek, Bargteheide, Wentorf und Schwentinental. Die FDP kletterte von 5,0 auf 6,7 Prozent. Die Neoliberalen hatten aber mit mehr Zuspruch gerechnet. Die AfD, die 2013 noch nicht auf dem Wahlzettel stand, erreichte 5,5 Prozent.

Die LINKE legte um 1,4 Prozentpunkte auf 3,9 Prozent zu. In Kiel, Flensburg, Eckernförde, Elmshorn, Wedel und Heide reichte es sogar für sieben Prozent und mehr. Landessprecherin Marianne Kolter äußerte sich erfreut: »Unsere Verankerung in den Kommunen ist deutlich gestärkt worden.« Die Partei hat landesweit damit den SSW überflügelt. Die politische Vertretung der dänischen Minderheit rutschte von 2,9 auf 2,3 Prozent. In Rendsburg und Eckernförde hatte der SSW zugelegt, ansonsten überwogen aber eher die Verluste.

Die vielen Wählervereinigungen blieben insgesamt nahezu konstant. Sie fielen von 4,8 auf 4,6 Prozent. In Lübeck holten die linksbürgerlichen »Unabhängigen« auf Anhieb acht Prozent und damit vier Sitze in der Bürgerschaft. In Neumünster vermehrte die NPD bei Nichtantritt der AfD ihren Stimmenanteil von 1,6 auf 3,9 Prozent, die nunmehr zwei Ratssitze bedeuten. Bei der Kommunalwahl in Schleswig-Holstein entfällt die Fünf-Prozent-Hürde.

In vielen Rathäusern und Kreisparlamenten wird es in den nächsten Wochen spannend, wenn Mehrheiten gebildet werden. In Flensburg haben die vier stärksten Parteien beispielsweise jeweils acht Sitze. Die Palette der Regierungsvarianten reicht von Großen Koalitionen über Jamaika-Modelle, schwarz-grüne Bündnisse bis hin zur Einbindung von SSW und Wählergemeinschaften. Vielfach bleibt zudem die Option wechselnder Mehrheiten.

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