Wo jetzt Komasaufen teuer wird

Niedersachsen: Landkreis bittet Eltern zur Kasse

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Komasaufen scheint nach wie vor gang und gäbe zu sein bei jungen Menschen. Diese böse Erfahrung hat unlängst der Rettungsdienst im niedersächsischen Landkreis Wittmund gemacht. Dort wurden die Retter in der Nacht zum 1. Mai mehrmals wegen »Maibaumfeierlichkeiten« alarmiert, um stark alkoholisierte Jugendliche zur Überwachung und Behandlung ins Krankenhaus zu bringen. Zum größten Teil waren diese Patienten, sowohl Jungen als auch Mädchen, erst 15 oder 16 Jahre alt.

Schon bei den Maifeiern 2017 hatte es laut Kreisverwaltung solche Transporte gegeben. Nun sei die Zahl derartiger Einsätze erneut gestiegen. Für ihre Kosten sollen künftig nicht mehr die Krankenkassen, sondern die Eltern oder andere Erziehungsberechtigte aufkommen. Väter und Mütter bekommen fortan nach einem »Alkoholvorfall« ihres Kindes eine Rechnung des Rettungsdienstes, die im Durchschnitt 500 Euro beträgt. Ist auch ein Notarzt zu der oder dem Betrunkenen ausgerückt, kann sich die Forderung auf rund 1100 Euro erhöhen. Mit diesem Verfahren sollen die Erziehungsberechtigten für das Thema »übermäßiger Alkoholkonsum« sensibel gemacht werden, heißt es seitens des Rettungsdienstes.

»Ehe eine Rechnung kommt, wird aber jeder Einzelfall geprüft«, erfuhr »nd« von einem Sprecher der Kreisverwaltung. Dort und auch bei den Rettern hofft man, dass am Himmelfahrtstag nicht erneut so viele Jugendliche zu versorgen sind wie in der Nacht zum 1. Mai. Ausnahmen von der neuen Regelung wird es am vielerorts alkoholträchtigen »Vater- oder Herrentag« nicht geben.

Zumindest in Ostfriesland ist Wittmund bislang der einzige Kreis, der sich zu diesem Schritt entschlossen hat. Aber er steht in der Region mit dem Alkoholproblem bei jungen Leuten nicht allein. So hat im Landkreis Emsland ein vor zehn Jahren entwickeltes Anti-Alkohol-Projekt bei Schülern offenbar wenig Erfolg gebracht. »KomA« heißt die Aktion, das Kürzel steht für »kontrollierter Umgang mit Alkohol«. Eine Studie hat ergeben, dass ein Drittel der von dieser Initiative angesprochenen Mädchen und Jungen weiter hochprozentige Alkoholika zu sich nimmt - 14 Prozent der Neuntklässler sogar mehrmals in der Woche.

Der offensichtlich ungebrochene Trend zum Komasaufen wird auch durch eine Statistik belegt, die besagt: 2016 wurden in Deutschland 22 309 Patienten zwischen zehn und 20 Jahren ins Krankenhaus gebracht, weil sie stark alkoholisiert waren. Vielleicht macht ja das Winken mit der Rechnung im Kreis Wittmund auch in anderen Regionen Schule, um Eltern zu eindringlichen Gesprächen mit ihren Kindern über Alkohol und dessen Folgen zu bewegen.

Finanzielle Folgen nach Komasaufereien hatte schon vor Jahren die Bundestagsabgeordnete Karin Maag angeregt. Die CDU-Gesundheitsexpertin schlug vor: Sofern Kinder und Jugendliche zum wiederholten Male wegen Alkoholisierung in ein Krankenhaus eingeliefert werden, sollten deren Eltern die Klinikkosten - etliche hundert Euro pro Nacht - übernehmen müssen. Realisiert worden ist dies bislang nicht.

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